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Arbeitszeit: so arbeite ich (Teil 4)

Urs F., Chemiearbeiter
Ursprünglich habe ich Maurer gelernt, und das handwerkliche Arbeiten gefällt mir eigentlich sehr gut. Aber die hohe körperliche Anstrengung wäre mir heute zu viel. Die Arbeit in der Chemie hat mich gleich von Anfang an fasziniert. Wenn man miterlebt, wie die Maschine produziert; die Anlagen, die Apparaturen, die Vorgänge, die passieren. Wenn ich als Chemiearbeiter die Ansätze in der Maschine drin habe, sehe ich, wie es rührt, wie die Temperaturen spielen. Ich kann steuern, dass das Produkt gut wird, die Produktion überwachen.

Solange ich immer wieder etwas Neues lerne, bleibe ich geistig auch wach. Beschäftigungen, bei denen Lösungen gefunden werden müssen, wo geknobelt werden muss, gefallen mir. Auch die sozialen Kontakte sind für mich wichtig. Organisieren macht mir Spass, z. B. die Planung eines Anlasses. Oder vielleicht werde ich eines Tages auch Bierbrauer in der Dominikanischen Republik (wo ich schon fünf Jahre lang gelebt habe).

Zu oft belastet man sich mit etwas von der Arbeit, nimmt den Gedanken daran mit nach Hause. Denkt, man hätte etwas falsch gemacht ‒ um am anderen Tag zu merken, dass doch alles richtig ist. Ich habe gelernt abzuschalten, so etwas passiert mir heute nicht mehr. Seitdem geht es mir in meiner Freizeit wesentlich besser.

Ich arbeite sehr gerne Schicht. Unser Schichtmodell ist ein gutes, wir haben genügend Ruhezeiten. Jeder stempelt ein und aus. Was die Überzeiten angeht, hatten einzig meine Kollegen in der Werkstatt ein Problem. Einerseits hatten sie da Pikettdienst und gleichzeitig wurde auch auf der Stempeluhr die Taste Überzeit abgeschafft. Aber nach einigen Diskussionen haben wir auch da eine sehr gute Lösung gefunden. Dank dem Fünf-Schichten-Modell kann ich unter der Woche viel mit der Familie unternehmen, kann ausserhalb der Stosszeiten einkaufen, meine sozialen Kontakte pflegen. So kann ich trotz Schichtarbeit Beruf und Familie bestens vereinbaren. Für Leute, die Normalzeit arbeiten, ist das unvorstellbar, für mich ist das normal. Ich bin gerne Vater, habe meinen Sohn bei einem gewerkschaftlichen Anlass immer dabei und früher auch die Windeln gewechselt. Ich unterstütze die Forderung nach einem bezahlten Vaterschaftsurlaub.

Arbeit und Gewerkschaft gehören für mich zusammen. Seit meiner Lehre ist das für mich selbstverständlich. Ich schätze sehr, dass ich so gute Kontakte zu den Syna-Verantwortlichen habe. Seien es die Regionalverantwortlichen oder Zentralsekretäre. Wenn ich eine Frage habe, kann ich mich immer an sie wenden. Das ist für mich und meine Arbeit im Syna-Regionalvorstand sehr wichtig. So ist es für mich selbstverständlich, jedem Kollegen nahezulegen, Syna ebenfalls beizutreten. Denn gerade bei GAV-Verhandlungen kann Syna so mehr erreichen. Als Schweizer Gewerkschaft sind wir eben nicht so laut. Unsere Arbeit ist eher eine stille. Deshalb bekommen vielleicht viele Arbeitnehmende gar nicht mit, dass sie tagtäglich von den Errungenschaften profitieren, ohne selbst Mitglied zu sein. Für Arbeitnehmende, die einem GAV unterstehen, haben wir in der Schweiz schon sehr viel erreicht. Das ist wichtig, denn nur wenn etwas ausgehandelt wurde und in einem GAV verankert ist, kann man auch auf die Einhaltung pochen. Goodwill allein genügt nicht.

Ich sehe meine Aufgabe in der Gewerkschaft und in der Personalvertretung für den Sektor Chemie mehr im Bestandserhalt. Im Baugewerbe beispielsweise hatten die Arbeitnehmenden Anrecht auf eine bezahlte Znüni-Pause, aber die ist jetzt weg. Das ist keine gute Entwicklung. Schön ist, dass wir die Zeit, die wir für die Arbeit in der Personalvertretung aufwenden, als Arbeitszeit aufschreiben können. Die kommt dann aufs JAZ (Jahresarbeitszeit) drauf.

Ich weiss, dass die Verantwortlichen in der Chemie sehr regen Kontakt miteinander pflegen, sich austauschen, sehr gut koordinieren und sich absprechen. Eigentlich genau das machen, was wir Arbeitnehmenden machen sollten, um unsere Ziele zu erreichen.

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