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Der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen!

Eine Corona Prämie, mehr Rechte am Arbeitsplatz und bessere Arbeitsbedingungen, dies waren die Forderungen der Protestwoche vom Bündnis Gesundheit. Warum sind diese Forderungen gerechtfertigt? Frau Stalder ist Pflegehelferin und erzählt uns aus ihrem Berufsalltag.  

Liebe Frau Stalder (Name von der Redaktion geändert), Sie sind seit über 10 Jahre in der Pflege. Momentan arbeiten Sie in einem Heim für kognitiv beeinträchtigte Menschen. Davor waren sie als Pflegehelferin in verschiedenen Altersheimen angestellt. Die Corona-Krise hat die Schweiz fest im Griff. Wie verändert dies Ihren Alltag und wie haben Sie den Frühling erlebt?

Die erste Welle im März hat mich doppelt erwischt, da ich im April meine neue Stelle begonnen habe, wurde der Einstieg zur Herausforderung. Der Lockdown, das Besuchsverbot und andere Schutzmassnahmen lösten und lösen bei den BewohnerInnen Unsicherheit und Angst aus. Es ist an uns Pflegenden, diese negativen Gefühle aufzufangen. Nun wiederholt sich das Szenario in der zweiten Welle und die Spannung ist auch bei uns spürbar. Durch den Kontakt mit den BewohnerInnen, welche teilweise auch zur Risikogruppe gehören, ist die Angst, dass wir das Virus ins Heim tragen sehr gross.

Letzte Woche hat das Bündnis Gesundheit eine Protestwoche organisiert damit sich endlich was ändert im Gesundheitsbereich (siehe Kasten). Sehen Sie auch Handlungsbedarf in Ihrem Berufsfeld?

Es braucht klar einen Wandel, nicht nur wegen Corona. 46% aller Pflegenden verlassen den Beruf vorzeitig und ich kann gut verstehen warum. Gerade NeueinsteigerInnen kommen mit falschen Erwartungen in den Beruf. Der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen. Doch dies ist immer weniger der Fall.

Können Sie dies näher erläutern?

Wir wollen die BewohnerIn oder die PatientIn in den Mittelpunkt stellen. Doch können wir nur gewisse, vorgegebene Leistungen abrechnen. Da beginnt das Spannungsfeld: Das Unternehmen hat kein Interesse daran, Zeit aufzuwenden für Leistungen, welche nicht abgerechnet werden können. Doch wir wollen BewohnerInnen nicht nur pflegen, sondern auch fördern und individuell auf sie eingehen. Unser Job fordert diese Flexibilität.

Wie können wir uns den Ihren Job vorstellen?

Unser Job beinhaltet eigentlich alles. Wir sind BeraterInnen, BegleiterInnen, ModedesignerInnen, helfen beim «Lismen», beim Kochen – wir helfen da wo es uns braucht. Ich sage gerne: «Wir sind die HeldInnen des Alltags». Lacht.
So gibt es auch sehr schöne Momente, wenn BewohnerInnen dich anlachen und dir danken, weiss ich, warum ich diese Arbeit nach wie vor mache.

Was müsste sich ändern, um vermehrt diese Freude am Job zurückzuholen?

Es braucht mehr Personal– mehr Zeit für die Menschen und ihre persönlichen Bedürfnisse. Doch auch der Lohn ist ein wichtiger Faktor. Der Lohnt reicht zum Leben, doch bleibt nicht viel übrig. Ferien und sonstige Ausgaben überlegt man sich zweimal und auch niederprozentig zu arbeiten, liegt als AlleinstehendeR nicht drin. Wertschätzung fühlt sich anders an!

Mehr Personal, mehr Lohn, mehr Zeit für den Menschen. All dies verursacht auch Kosten, wie ist dies in Zeiten von steigenden Prämien zu rechtfertigen?

Ja gute Pflege kostet – Qualität kostet. Doch es betrifft nicht nur uns Pflegende, sondern uns als Gesellschaft. Wir alle werden älter und brauchen irgendwann Pflege. Nicht nur wir leiden unter den momentanen Bedingungen, sondern auch die BewohnerInnen, die PatientInnen. Wie wollen wir in Zukunft gepflegt werden? Es betrifft uns alle.

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