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Menschenrechte vor Profit

Fabienne Jacomet von der Organisation Brücke · Le pont erklärt uns im Interview, warum die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) die Schweiz vor einem Reputationsverlust bewahrt und Betroffene unterstützt gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen.

Die Konzernverantwortungsinitiative ist in aller Munde, Fahnen wehen seit einer gefühlten Ewigkeit in vielen Quartieren, doch was will die Initiative und warum sollen wir dafür ein JA in die Urne legen? Wir haben Fabienne Jacomet gefragt. Sie arbeitet für das Syna-Hilfswerk Brücke · Le pont, welches die Initiative unterstützt.

In wenigen Worten, was macht die Organisation Brücke · Le pont ?

Wir sind eine Entwicklungsorganisation und unterstützen mit unserem Programm «Arbeit in Würde» rund 30 Projekte in Afrika und Lateinamerika. Unsere Schwerpunktthemen sind Arbeitsrechte, Einkommensförderung sowie berufliche Kompetenzen und Arbeitsmarktintegration.

Die Initiative fordert, dass Konzerne und ihre Tochterfirmen belangt werden können, wenn diese gegen Menschenrechte und internationale Umweltstandards verstossen. Habt auch ihr in eurer Arbeit Fälle gesehen, in welchen gegen Menschenrechte verstossen wurde?

Ja, das kommt leider immer wieder vor. Wir unterstützen z.B. in Zentralamerika TextilarbeiterInnen, die unter miserablen Bedingungen arbeiten. Da kommt es auch immer wieder zu Verstössen gegen das Recht auf Gesundheit: Viele sind chronisch krank, weil sie stark repetitive Bewegungen ausüben müssen und während der Arbeitszeit nicht auf die Toilette dürfen.
In Brasilien unterstützen wir Betroffene von moderner Sklaverei dabei, Fälle anzuzeigen und ihre Arbeits- und Menschenrechte durchzusetzen. Sie wurden auf Plantagen und im Bergbau ausgebeutet.

Sind dies Einzelfälle?

Leider nein, wir beobachten gerade in der Textil-, Rohstoff- und Agrarbranche eine systematische Ausbeutung. Die Arbeitnehmenden zählen für viele Konzerne nicht als Menschen, sondern als billige Arbeitskräfte. Hier bleibt noch sehr viel zu tun, um die Menschen- und Arbeitsrechte durchzusetzen.

Werden solche Vorfälle rechtlich verfolgt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen?

Wo möglich, ja. In El Salvador arbeiten wir erfolgreich mit der Generalstaatsanwaltschaft zusammen. So konnten wir von den Fabriken Rückzahlungen von ausstehenden Löhnen und Sozialleistungen erwirken. Das funktioniert aber leider nicht immer und überall. Die Erfolge hängen auch stark von der politischen Lage und dem Justizsystem ab. In Brasilien beobachten wir, dass die Behörden je nach Regierungskurs weniger Mittel erhalten, um die moderne Sklaverei zu bekämpfen. Leider sind auch viele Länder noch immer stark von Korruption betroffen und es ist für Geschädigte schwierig, überhaupt Zugang zur Justiz zu erhalten.

Wie kann eine Initiative in der Schweiz ein solch' internationales Problem angehen?

Gerade die Schweiz hat eine grosse Verantwortung, weil hier einige der weltweit grössten Rohstoff- und Agrarkonzerne angesiedelt sind, die nachweislich immer wieder Menschenrechte verletzen und die Umwelt verschmutzen. Mit der Konzernverantwortungsinitiative würde sich die Schweiz in die internationale Entwicklung eingliedern: Länder wie Frankreich, die Niederlande und Grossbritannien haben bereits ähnliche Gesetze, für die EU erwarten wir 2021 eine Richtlinie mit Haftungspflicht.

Wie würde dies den Betroffenen helfen? Welche Möglichkeiten würde die Initiative ihnen bieten?

Betroffene könnten neu in der Schweiz gegen den Mutterkonzern klagen und einen Schadenersatz für die angerichteten Schäden einfordern.

Was heisst dies für Schweizer Firmen, sprich für Schweizer Arbeitnehmende? Können mit der Initiative alle Firmen angeklagt werden, welche Zulieferer aus dem Ausland haben?

Für die allermeisten Unternehmen ändert sich nichts. Von der Initiative betroffen sind nur Unternehmen, welche die international anerkannten Menschenrechte und Umweltstandards verletzen. KMU sind explizit von der Initiative ausgenommen, ausser sie sind in einem Hochrisikosektor tätig, also beispielsweise im Diamanten- oder Goldhandel. Die Initiativ-Gegner behaupten gerne, dass alle Firmen und Zulieferer betroffen seien. Das stimmt aber nicht.

Die Gegner warnen, dass die Initiative die Schweizer Wirtschaft gefährde. Ist die Initiative schlecht für die Wirtschaft?

Nein, im Gegenteil: Die Schweiz riskiert einen Reputationsschaden, wenn sie sich nicht für klare Regeln einsetzt. Die meisten Unternehmen halten sich schon daran. Es geht hier um einige grosse Konzerne, die ihren Profit höher gewichten als Mensch und Umwelt. Sie sollen ihre Praktiken ändern, denn die Schweizer Wirtschaft beruht nicht auf Menschenrechtsverletzungen. Darum unterstützen auch mehrere Hundert UnternehmerInnen und bürgerliche PolitikerInnen die Initiative.

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