Der Vorstoss des abtretenden CVP-Ständerates Konrad Graber tönt fast harmlos: «Teilflexibilisierung des Arbeitsgesetzes und Erhalt bewährter Arbeitszeitmodelle». Er will aber das bestehende Arbeitsgesetz praktisch aushöhlen. Für Arbeitnehmende mit Leitungs- und Fachaufgaben soll die Wochenarbeitszeit auf bis zu 67 Stunden erhöht werden.
Mehr Krankheit, weniger Planbarkeit
Dass vor allem Dienstleistungsunternehmen angesichts der Digitalisierung flexibler werden müssen, ist klar. Darunter sollen aber nicht ausschliesslich die Arbeitnehmenden leiden. Dass mit längerer Arbeitszeit Stress und Burnouts zunehmen, hat die Arbeitsmedizin bewiesen: Zu lange und noch schlechter planbare Arbeitszeiten sind ungesund und nicht familienfreundlich – und lohnen sich deshalb auch für die Unternehmen nicht.
Entsprechend hat Syna die parlamentarische Initiative Graber abgelehnt. Sie würde Tür und Tor öffnen für überlange Arbeitszeiten und für hunderttausende Stunden Gratisarbeit.
Auch Kantone und Bundesrat dagegen
Im Kampf gegen die Aushöhlung des Arbeitsgesetzes ist Syna nicht allein: In der «Allianz gegen Stress und Gratisarbeit» sowie in der «Sonntagsallianz» wehren sich mit ihr andere Gewerkschaften, Organisationen und die Landeskirchen sowie Ärzt/-innen und Arbeitsmediziner/-innen. Zudem lehnten die kantonalen Arbeitsinspektorate das Ansinnen in der Vernehmlassung ganz klar ab. Auch der Bundesrat empfahl die parlamentarische Initiative Graber zur Ablehnung.
Sozialpartner werden angehört
Die Wirtschaftskommission des Nationalrats wollte davon aber nichts wissen und winkte den Vorstoss durch. Das war offenbar auch die Absicht, als die ständerätliche Kommission das Geschäft unauffällig just vor den Wahlen traktandierte – und die ursprünglich geplanten Hearings mit den Sozialpartnern absagte.
Das soll nun aber nachgeholt werden: Bevor die Kommission entscheidet, will sie im Januar Vertretungen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden sowie von Verbänden aus dem Gesundheitswesen zur Anhörung einladen.
Referendum wenn nötig
Unser Kampf gegen die unvernünftige Flexibilisierung der Arbeitszeit hat also gewirkt. Angesichts der geballten Rückweisung von allen Seiten erwarten wir von der Kommission, dass sie diese parlamentarische Initiative ganz abschreibt. Sollte das Vorhaben durchs Parlament kommen, hat die Allianz gegen Stress und Gratisarbeit bereits das Referendum angekündigt, das Syna mittragen würde.
Der wichtigste Punkt zur Flexibilisierung der Arbeitszeit: Personen mit Fach- und Führungsaufgaben sollen in einem Jahresarbeitszeit-Modell arbeiten können. Darin gelten besondere Regelungen:
-Die maximale Höchstarbeitszeit pro Woche steigt von 45 auf 67 Stunden (Jahresdurchschnitt muss 45 Stunden betragen)
-Die tägliche Ruhezeit kann mehrmals pro Woche von 11 auf 9 Stunden sinken (Durchschnitt über 4 Wochen muss 11 Stunden betragen)
-Sonntagsarbeit ist möglich (ausserhalb des Betriebs)
Wie viele Personen betroffen wären, ist aufgrund der ungenauen Formulierung im Vorstoss Graber unklar. Syna schätzt, dass es bis 40% aller Angestellten wären.
Ein Vorstoss der ehemaligen Ständerätin und jetzigen Bundesrätin Karin Keller-Suter, die für viele Angestellte die Arbeitszeiterfassung abschaffen wollte, wurde von der Kommission bereits sistiert.