Von Migmar Dhakyel auf 6.11.2020
Kategorie: Branchen

Eine bewegte Woche

Während der Protestwoche «Gemeinsam mit dem Gesundheitspersonal» Ende Oktober war ich jeden Tag in einer anderen Region der Schweiz unterwegs. Was mir dabei besonders auffiel, war die Wut der Menschen. Man spürte, dass die Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal inzwischen unerträglich geworden sind und dass sie diese Wut und diesen Frust jetzt endlich auch öffentlich kundtun wollten. 

Die Aktionen, Märsche und Kundgebungen haben mich auch deshalb so begeistert, weil man bisher vom Gesundheitspersonal – und nicht selten allgemein von Frauen – behauptete, sie würden sich nicht trauen, öffentlich für ihre Rechte einzustehen und zu demonstrieren. Doch es hat sich gezeigt: das Gegenteil davon ist wahr. Es brauchte nur die zunehmende Wut auf die Ungerechtigkeit und gleichzeitig die Überzeugung, nicht mehr still sein zu dürfen. Und genau diese Stimmung herrschte letzte Woche auf den Strassen, vor den Kantonsparlamenten und Spitälern.

 Neues Selbstbewusstsein

Viele der Pflegerinnen und Betreuer wurden während der letzten Woche zu Aktivistinnen und Aktivisten. Dieses Gefühl der Gemeinsamkeit und der eigenen Stärke werden sie, denke ich, so schnell nicht wieder vergessen. Sie werden diese Energie und dieses neue Selbstbewusstsein in die eigenen Betriebe und zu den Kolleginnen und Kollegen tragen. Und sie werden weiterhin gemeinsam für ihre Rechte und ihre Sicherheit einstehen.

Momente der Solidarität

Ich jedenfalls werde mich immer wieder an diese Protestwoche erinnern, wenn wir in den nächsten Monaten und Jahren für das Gesundheitspersonal kämpfen und beispielsweise am Verhandlungstisch schwierigen Herausforderungen entgegenstehen. Ich denke dann an José, Pflegehelfer in einem Altersheim, den ich ihn Zug während des Marsches getroffen habe und der ins Megafon sagte: «Ich kann nicht mehr! Wir müssen die ganze Zeit arbeiten und so viel leisten und wir bekommen nur die Hälfte von dem, was wir verdient hätten!» Oder an die Frau, die bei der Menschenkette in St. Gallen neben mir stand und die auf meine Aufforderung, etwas ins Megafon zu sagen, entgegnete: «Nein, nein, ich sage nichts. Wissen Sie, ich bin für meine Tochter da.» Diese Momente der Solidarität und des Zusammenstehens sind kostbar und sie werden uns die Kraft geben, um diesen Kampf weiterzuführen.

 Mandat an die Politik

Das Gesundheitspersonal hat gesprochen. Nun liegt es an den Arbeitgebern, den Kantonen und am Bundesrat, konkrete Schritte einzuleiten, damit wir aus der Misere rauskommen, in der wir uns nun nach rund zwei Jahrzehnten neo-liberaler Sparpolitik befinden. Denn eines darf man nicht vergessen: Schon vor Corona wurden die Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal immer schlechter! Die Corona-Krise ist für das Gesundheitspersonal nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

 Die Woche in Bildern