Von Syna auf 12.12.2019
Kategorie: Engagement DE

«Frauen führen anders als Männer»

Die NZZ hat es herausgefunden: In den 100 grössten Schweizer Unternehmen gibt es gleich viele weibliche CEOs wie Chefs, die Urs heissen – jeweils 4. Doch wie schaffen wir es, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen?

Zu diesem Thema befragen wir Greta Gysin. Sie muss es wissen, denn die transfair-Regionalleiterin, Nationalrätin und dreifache Mutter gibt Leadership-Kurse für Frauen. Zwei solcher Kurse werden nächstes Jahr in unserem Weiterbildungsprogramm ARC angeboten.

Frauen sind nach wie vor stark untervertreten in Führungsgremien. Was braucht es, damit sich dies endlich ändert?

Greta Gysin: Wir müssen uns von den traditionellen Rollenbildern verabschieden. Dazu sind strukturelle Veränderungen nötig. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist das Stichwort: Sobald Kinder da sind, kommt bei den Frauen der Karriereknick. Es braucht bessere Angebote für externe Kinderbetreuung, mehr flexible Arbeitsmodelle und Home-Office-Möglichkeiten.
Aber auch ein Umdenken bei den Männern ist gefordert: Sie müssen eine aktivere Rolle im Familienleben einnehmen. Das beginnt bereits beim Vaterschaftsurlaub.
Gleichzeitig müssen Frauen stärker ermutigt werden, Führungsrollen zu übernehmen.

Heisst das, Frauen trauen sich Führungspositionen tendenziell weniger zu?

​Ja, leider. Das trifft natürlich nicht auf alle Frauen zu. Aber es ist nach wie vor eine klare Tendenz, die auf unserer Erziehung basiert: Mädchen werden dazu angehalten, «brav» und «lieb» zu sein, während Jungen «neugierig» sein und die Welt «entdecken» sollen. Entsprechend verhalten sich Frauen später im Berufsleben zurückhaltender.
Das zeigt sich übrigens auch beim Gehalt: Frauen verkaufen sich in der Lohnverhandlung oft unter Wert.

Also erkennen Frauen ihren eigenen Wert zu wenig? 

Ja! In unseren Leadershipkursen wollen wir den Frauen bewusst machen, was sie wert sind. Frauen machen sich gerne kleiner, als sie sind. Das erlebe ich auch in der Politik: Frauen haben tendenziell mehr Selbstzweifel, stellen sich und ihre Leistung stärker infrage als Männer.
Deshalb ist es auch sinnvoll, Leadership-Kurse explizit für Frauen durchzuführen. Denn in gemischten Gruppen ziehen sich Frauen eher zurück. Gleichzeitig können wir in einer reinen Frauengruppe gezielt Themen ansprechen, die Frauen vermehrt betreffen, wie beispielsweise der Zweifel am eigenen Selbstwert.

Ein Kurs trägt den Titel «Rabenmutter oder Powerfrau?»: Er impliziert, dass Frauen ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie Karriere machen wollen. 

Viele berufstätige Familienfrauen haben auch heute noch ein schlechtes Gewissen. Sie haben einen schweren Stand, denn sie können es eigentlich nur falsch machen: Wollen sie arbeiten, so werden sie als Rabenmütter angesehen oder als Egoistinnen, die ihr eigenes Wohl vor das ihrer Kinder stellen. Bleiben sie hingegen zuhause, so gelten sie als bequem oder rückständig. Dabei muss es in erster Linie für die Frau selbst stimmen.
Und das mit der «Powerfrau» ist so eine Sache … Es mir wichtig, in den Kursen den Frauen mitzugeben, dass sie keine «Superwoman» sein müssen, um eine Führungsposition zu übernehmen. Ich bin auch keine «Powerfrau» – jede Frau kann das! Es geht um Planung und darum, sich zu organisieren. Das vermitteln wir in unseren Kursen.

Führen Frauen anders als Männer? 

Frauen haben tatsächlich einen anderen Führungsstil als Männer: Sie sind tendenziell empathischer, schauen mehr auf den Mensch. Frauen legen den Fokus stärker auf die Teamarbeit, ohne sich selbst stark in den Vordergrund zu stellen. Das Wohlbefinden im Team hat bei ihnen einen höheren Stellenwert.
Frauen sind zudem im Vorteil, was die sozialen Kompetenzen anbelangt – das wurde ihnen anerzogen. Kompetenzen, die gerade in der heutigen schnelllebigen Welt immer wichtiger werden.

Doch der Führungsstil von Frauen ist nicht per se besser, sondern einfach anders. Beide Stile haben Vor- und Nachteile. Deshalb ist es wichtig, dass in Führungspositionen wie in Teams eine gute Mischung herrscht. Durchmischte Teams und höhere Frauenanteile in Leaderpositionen machen erfolgreichere Unternehmen, das belegen Studien.
Das Ziel ist nicht, dass Männer und Frauen genau gleich werden. Wir sind und bleiben unterschiedlich. Es geht vielmehr darum, gemeinsam besser zu werden.

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