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«Big Brother is watching you ist allgegenwärtig»

Arbeit /

Mit neuen, digitalen Arbeitsformen wie Home-Office vermischen sich private und geschäftliche Daten zusehends. Dabei stellt sich die Frage, wie weit Arbeitgeber die persönlichen Daten ihrer Mitarbeitenden verwenden dürfen. Und: Wie viel Kontrolle am Arbeitsplatz ist zulässig? Wir fragen die Datenschutzexpertin Ursula Uttinger.

Rechtlich ist klar: Arbeitgeber dürfen nur die Daten ihrer Angestellten verwenden, welche für die Ausübung der Tätigkeit nötig sind (Art. 328b OR). Die Mitarbeitenden zu kontrollieren oder Daten zu sammeln, um ihr Verhalten zu überwachen, ist hingegen ausdrücklich verboten. Doch wo liegt die Grenze? Darüber sprechen wir mit Ursula Uttinger. Die Juristin ist Dozentin und Spezialistin für Datenschutz.

Ich arbeite im Büro am Computer. Inwiefern betrifft mich das Thema Datenschutz bei meiner Tätigkeit? 

Ursula Uttinger: Oh, das beginnt schon mit der Zeiterfassung: die einfachste Möglichkeit, Mitarbeitende zu kontrollieren–– schnell mal über das Zulässige hinaus. Oder nehmen wir an, Sie nutzen das private Handy auch für geschäftliche Zwecke. Was passiert nun, wenn der Arbeitgeber ihre Daten einsehen will? Schon haben sich private und geschäftliche Daten vermischt, und Ihr Arbeitgeber erhält Einblick in Ihre Privatsphäre.

Weiter gibt es auch Software im Hintergrund, die zum Ausspionieren verwendet werden kann. Recht verbreitet sind mittlerweile Programme, die kontrollieren, wie aktiv jemand am Computer ist. Obwohl der Einsatz solcher Software verboten ist, kann man sie ganz legal erwerben. Auch eine intelligente Raumverwaltung kann dem Arbeitgeber bereits Aufschluss über das Verhalten seiner Mitarbeitenden geben: So zeigt diese beispielsweise an, dass zwei Personen im Raum sind – es handelt sich aber um einen Arbeitsplatz für drei Personen. Wo ist die dritte Person ...?

Was passiert mit meinen persönlichen Daten im Personaldossier? 

Bewerbungsunterlagen müssen spätestens nach Ende der Probezeit zurückgegeben oder vernichtet werden. Auch Unterlagen von Mitarbeitendengesprächen müssen spätestens nach 5 Jahren gelöscht werden. Das kann allerdings auch Nachteile haben: Beim Ausstellen eines Zeugnisses sollte ja die Arbeit während der Gesamtzeit des Arbeitsverhältnisses bewertet werden. Das wird unter Umständen schwierig, wenn keine Unterlagen aus der Vergangenheit mehr vorhanden sind. Deshalb empfehle ich grundsätzlich allen Angestellten, regelmässig –– alle 3 bis 4 Jahre –– ein Zwischenzeugnis zu verlangen.

Wie kann ich als Mitarbeiterin meine privaten Daten schützen? 

Indem Sie Privates und Geschäftliches wo immer möglich trennen. Das betrifft insbesondere E-Mails und Anrufe: keine privaten E-Mails über den Geschäfts-Zugang schreiben, ein Firmenhandy für geschäftliche Zwecke verwenden und private Anrufe konsequent mit dem privaten Handy tätigen.
Beim Antritt einer neuen Stelle lohnt es sich, das Datenschutzreglement des Unternehmens genau zu lesen: Steht da beispielsweise drin, dass der E-Mail-Verkehr bei Verdachtsfällen eingesehen werden darf? Oder wird überprüft, welche Webseiten während der Arbeitszeit aufgerufen werden?

Hat die Überwachung am Arbeitsplatz generell zugenommen? 

Ja, ganz klar, das beweisen Studien. Das Vertrauen ist bei vielen Arbeitgebern nicht gegeben. Insbesondere, wenn die Angestellten im Homeoffice sind, und der Arbeitgeber nicht sieht, was sie machen. Dabei hat man gerade jetzt in der Coronakrise gemerkt, dass die Produktivität im Homeoffice nicht abnimmt – im Gegenteil!

Wie sieht es mit der Überwachung in anderen Branchen aus, zum Beispiel im Verkauf? 

Auch hier nimmt die Überwachung zu. Gerade im Detailhandel sind sehr viele Videokameras installiert. Das ist legal, solange es den Angestellten möglich ist, sich auch ausserhalb der Bildfläche aufzuhalten. Eine Kamera, die auf die Kasse gerichtet ist, um sicherzustellen, dass kein Geld entwendet wird, ist ok. Wenn die Person, die an der Kasse sitzt, aber keine Möglichkeit hat, sich auch nur mal unbeobachtet die Nase zu putzen, dann führt das zu weit. Totalüberwachung geht nicht! Die Verhaltensbeobachtung von Mitarbeitenden ist nicht erlaubt.

Ein universales Thema im Zusammenhang mit dem Datenschutz am Arbeitsplatz ist die Zeiterfassung: Je nach Hilfsmittel, das dazu verwendet wird, bietet sie die Möglichkeit zur Kontrolle, wer wann was gemacht hat.

Wie kann ich mich als Angestellte gegen eine unzulässige Überwachung wehren? 

Wenden Sie sich an eine Gewerkschaft! (Lacht) Ganz im Ernst: Das sage ich jetzt nicht nur, weil ich mit Ihnen spreche. Es ist als Einzelperson schwierig, sich gegen die Überwachung durch den Arbeitgeber zu wehren. Denn sehr schnell steht der Verdacht im Raum, wer gegen Überwachung sei, habe etwas zu verbergen. Hier braucht es dringend eine Solidargemeinschaft, die klarstellt: «So geht es nicht!»

«Totalüberwachung geht nicht! Die Verhaltensbeobachtung von Mitarbeitenden ist nicht erlaubt.»

Ursula Uttinger
Wird uns diese Problematik zukünftig noch mehr beschäftigen? 

Ja. Die Überwachungstendenz steigt – «Big Brother is watching you» ist allgegenwärtig. Unser grösstes Problem, das wir schon heute haben: Die Individuen sind sich des Wertes der Privatsphäre nicht mehr bewusst.
Daten an sich sind neutral – die Frage ist, was wir mit ihnen machen. Überwachung kann Mehrwert generieren, aber das Missbrauchspotenzial ist latent vorhanden. Man muss immer die Frage stellen: Wozu liesse sich das Instrument positiv einsetzen? Wie wäre es zum Beispiel, die Kontrolle der Zeiterfassung dazu zu nutzen, einem Angestellten zu sagen: «Danke, du hast genug gearbeitet, mach jetzt Feierabend!»?

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