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«Es braucht eine gelebte Kultur der Offenheit in Unternehmen»

Heute ist der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit. Anlässlich dieses Tages haben wir uns mit Lou Layritz von der Schweizerischen Arbeitsgruppe der Jugendverbände (SAJV) unterhalten. LGBTIQ+ Personen müssen sich laut Lou – selber trans und nonbinär – nicht nur beleidigende Witze gefallen lassen. Sie erleben Formen von Diskriminierung, die tief in unserer Gesellschaft verwurzelt sind – denn diese ist auf heterosexuelle Männer und Frauen ausgelegt.

Am 17. Mai ist der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit. Lou, was hat es mit diesem Tag auf sich?

Der Tag wurde 2005 als Aktionstag gegründet, um die Öffentlichkeit auf die Diskriminierung von LGBTIQ+ Menschen aufmerksam zu machen. Das Datum wurde in Erinnerung daran gewählt, dass die Weltgesundheitsorganisation am 17. Mai 1990 beschlossen hat, Homosexualität als Krankheit aus ihrem Katalog herauszustreichen.
Der Tag ist wichtig, um auf die immer noch herrschende Diskriminierung sowie auf die rechtliche Ungleichheit aufmerksam zu machen und alle Menschen dazu aufzufordern, gegen die Diskriminierung und für die Rechte von LGBTIQ+ Personen einzustehen. Ausserdem soll er alle LBGTIQ+ Menschen darin bestärken, dass sie sein dürfen, wer sie sind und lieben dürfen, wen sie wollen. 

Im Februar hat das Stimmvolk «Ja zum Schutz vor Hass» gestimmt und sich somit einverstanden erklärt, die Anti-Rassismusstrafnorm um die sexuelle Orientierung zu erweitern. Erhoffst du dir davon eine Verbesserung für LGBTIQ+ Menschen? 

Ja, weil es nun strafbar ist, zu Hassverbrechen aufzurufen – zumindest in Bezug auf sexuelle Orientation – das neue Gesetz bezieht ja die Geschlechtsidentität nicht mit ein. 

Was sind die grössten Herausforderungen und häufigsten Diskriminierungserfahrungen von LGBTIQ+ Personen? 

Eine der grössten Herausforderung ist, dass in unserer Gesellschaft immer noch die Heterosexualität, die Cis-Identität und die Geschlechterbinarität als Norm vorausgesetzt werden. Jede Abweichung davon wird sanktioniert. Dies ist die Basis, die zu verschiedensten Diskriminierungserfahrungen und -formen führt, wie zum Beispiel, dass Homosexuelle nicht heiraten oder Kinder adoptieren dürfen (abgesehen von Stiefkindern).
Die häufigsten Formen von Diskriminierung gegenüber Angehörigen sexueller und geschlechtlicher Minderheiten sind laut dem Schweizer LGBTIQ+ Report von 2019 Witze und das Gefühl, nicht ernstgenommen zu werden sowie sexuelle Belästigungen durch Männer.
Geschlechtliche Minderheiten erleben laut dem Bericht häufig auch strukturelle Diskriminierungen: Zum Beispiel kommen Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann identifizieren können (oder wollen) in den Gesetzen wie in der Gesellschaft nicht vor, dies zeigt sich auch in der Infrastruktur (wie zum Beispiel Toiletten). Des Weiteren werden auch immer noch unnötige Operationen an intergeschlechtlichen Kindern durchgeführt.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zu verstehen, dass Diskriminierung immer intersektional zu verstehen ist: Das heisst, es können mehrere Formen von Diskriminierung gleichzeitig auftreten, sich gegenseitig beeinflussen und sich teilweise auch verstärken. Zum Beispiel besitzt eine homosexuelle nicht-weisse Person ohne Schweizer Pass aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, Herkunft, ihres Aufenthaltsstatus und ihrer Hautfarbe weniger Rechte und erlebt gleichzeitig mehrfach auf verschiedenen Ebenen Diskriminierung.

Und was sind die häufigsten Diskriminierungserfahrungen in der Arbeitswelt? 

Diese decken sich teilweise mit den bereits genannten, wie dass man sich über sie lustig macht oder sie beleidigt. Da auch am Arbeitsort vieles, von den Toiletten bis zur Arbeitskleidung binär gestaltet ist – also an Frauen und Männern ausgerichtet ist – werden geschlechtliche Minderheiten ständig ausgeschlossen. Natürlich kommt es immer auch darauf an, in welchem Umfeld die Person arbeitet und welche Kultur im Unternehmen herrscht. Es braucht hier eine gelebte Kultur der Offenheit und der Vielfalt in Unternehmen, um der stark erhöhten Arbeitslosigkeit von trans Personen entgegenzuwirken und ein wertschätzendes und diskriminierungsfreies Arbeitsklima für alle LGBTIQ+ Menschen zu schaffen.
Einige haben Angst, sich an ihrem Arbeitsplatz zu outen, weil sie befürchten, deswegen den Job zu verlieren. Für trans Personen ist während einer Transition ein Coming-Out kaum zu vermeiden, da ihr trans-Sein dann sichtbar wird. Auffallend bei trans Personen ist die hohe Arbeitslosigkeit – 5x höher als der Durschnitt laut einer Umfrage von TGNS. 16% der befragten Unternehmen wollen keine trans Personen einstellen, weil sie Komplikationen in der internen Zusammenarbeit sowie mit Kund*innen befürchten. 

Was können betroffene Personen dagegen tun? 

Sie können sich Unterstützung holen und sich beraten lassen bei der LGBT+ Helpline oder den Dachverbänden (siehe Box). Sie können sich in Netzwerken zusammenschliessen, um ihre Anliegen gemeinsam vorzubringen. Bei einem Coming-Out lohnt es sich, es gut zu planen und es dann zu machen, wenn mensch sich bereit dazu fühlt und das auch wirklich möchte. 

Was können Arbeitskolleg*innen tun? Was würdest du dir von der Mehrheitsgesellschaft wünschen? 

Dass sich die Menschen über das Thema informieren und nicht immer die queere Person andere aufklären muss, weil das sehr anstrengend ist. Es gibt heutzutage sehr viele Informationen im Internet oder diese können vom Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Es ist wichtig, dass sich Menschen mit ihren eigenen Vorstellungen und Meinungen von sexueller Orientierung und Geschlecht auseinandersetzen und wagen, diese auch zu hinterfragen.
Dann ist es grundsätzlich wichtig, respektvoll zu sein und keine Aussagen wie «das ist ja voll schwul» oder «no homo» zu machen. Eigentlich etwas, das selbstverständlich sein sollte, es aber leider nicht ist. Wie es auch alltäglich ist, dass trans Menschen intime Fragen gestellt werden wie «Wie hast du Sex?» oder «Welche Operationen hast du gemacht?» Das sind klare Grenzüberschreitungen.
Wichtig ist grundsätzlich, den Menschen in den Vordergrund zu stellen und nicht dessen sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität. Es ist wichtig, solidarisch und unterstützend zu sein, ohne jedoch zum Opfer zu degradieren mit Aussagen wie «Oh, es tut mir so leid, dass du trans oder queer bist.» Das ist nicht unterstützend, sondern diskriminierend. 

Wie kann das Unternehmen präventiv gegen Diskriminierung vorgehen? 

Es ist wichtig, dass in den Leitbildern und Strategien geschlechtliche und sexuelle Vielfalt verankert ist und Diskriminierung nicht geduldet wird. Führungspersonen und weitere Mitarbeitende sollen sich in Workshops schulen. Helfen kann, wenn ein Unternehmen dies auch gegen aussen sichtbar macht über ein öffentliches Statement oder LGBTQ-Label. Dabei ist es wichtig, dass es nicht bei einem Statement bleibt, sondern eine Kultur der Offenheit und Vielfalt gelebt wird, indem unter anderem eine gendergerechte Sprache verwendet, genderneutrale Toiletten angeboten oder ein LGBTIQ+-Mitarbeitenden-Netzwerk eingerichtet werden (Beispiel SBB). 

Du arbeitest für das Projekt «Break Free!» der SAJV. Worum geht es dabei? 

«BreakFree!» ist ein Projekt, das die Inklusion von LGBTQ-Jugendlichen in den Schweizer Jugendverbänden und -organisationen fördern will. Durch das Projekt werden die teilnehmenden Organisationen darin unterstützt, ihre Strukturen inklusiver zu gestalten. LGBTQ-Jugendliche werden wiederum bestärkt, in ihren Organisationen selber aktiv zu werden und ihre Anliegen einzubringen. 

Was ist mit Inklusion genau gemeint? 

Eine inklusive Gesellschaft ist eine Gesellschaft, in der alle Menschen willkommen sind unabhängig von ihrer sozialen, kulturellen oder ethnischen Herkunft, ihrer Begabungen, ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität. Das heisst, auch die Gesellschaft muss ihren Teil dazu beitragen, dass Diskriminierung und Exklusion (Ausgrenzung) von LGBTIQ+ Menschen abnimmt und verschwindet. Inklusion im Projekt «BreakFree!» meint, dass sich LBGTQ-Jugendliche in ihren Organisationen wohl- und gesehen fühlen, keine Diskriminierung erleben und ihre Anliegen Gehör finden. 

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