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«Wir haben schon immer viel gekrampft»

Fredi Oertli arbeitet seit vielen Jahren auf dem Bau. Was heute nicht mehr stimmt in der Branche und was sich ändern müsste für bessere Arbeitsbedingungen im Baugewerbe, erklärt er im Porträt.

Meine Arbeit

Ich arbeite schon seit Jahren als Eisenleger auf dem Bau. Eigentlich habe ich mal Maler gelernt. Meine Lehrstelle habe ich durch einen Kollegen gefunden. Wir waren ein 3-Mann-Betrieb; der Chef, mein Kollege und ich. Ich habe alles gemacht, die Arbeit war vielseitig. Doch irgendwann hat es mir nicht mehr gepasst, und ich habe auf dem Bau angefangen. Dort hat es mir gefallen, zudem war ich damit den ewigen Lackgeruch endlich los. Dann habe ich Eisenleger kennengelernt: Das war immer eine lustige, bunte Truppe. Ich wusste: Das will ich auch machen! Die Arbeit an sich gefällt mir: Du bist viel draussen, hast gewisse Freiheiten. Ich könnte nicht den ganzen Tag im Büro sitzen. In meinem Job bewegt man sich, die Zeit vergeht schnell. Und wenn es ein gutes Unternehmen ist, für das du arbeitest, dann stimmt es meist auch im Team. Alle helfen einander, arbeiten Hand in Hand.

Meine Gesundheit

Doch die Arbeit ist sehr hart, du machst dir Knie und Rücken kaputt. Zum Glück gibt es den FAR – den frühzeitigen Altersrücktritt für Bauarbeitende. Damit kann man sich ab 60 frühpensionieren lassen. Das will ich auch nutzen. Ich bin jetzt 58 – länger als bis 60 will ich nicht mehr machen. Ein bisschen möchte ich schon noch weiterarbeiten, aber nicht mehr Vollzeit, meiner Gesundheit zuliebe. Meiner Meinung nach müsste es den FAR schon ab 55 geben. Länger sollte man auf dem Bau nicht arbeiten müssen. Bei mir stand aber der FAR plötzlich auf der Kippe. Wenn du nämlich länger arbeitslos bist oder eine gewisse Zeit nicht auf dem Bau arbeitest, dann verlierst du das Anrecht darauf.

Ich hatte Pech mit meinem Arbeitgeber. Er hat mich betrogen, gleich mehrmals! Als er mich einstellte, hat er mir versichert, dass ich bis 60 bleiben könne. Dann hat er mir plötzlich gekündigt. Später hat er mich zwar wieder eingestellt. Doch irgendwann hat er mir den Lohn nicht mehr gezahlt! Und ich war nicht der Einzige: Mehr als 10 Leute haben kein Geld mehr bekommen. Der Chef hat zusätzlich Aushilfen von anderen Betrieben angestellt, die er auch nicht bezahlt hat. Er hat seinen Betrieb an die Wand gefahren und Konkurs angemeldet. Daraufhin habe ich Syna angerufen. Ich bin schon seit ein paar Jahren Mitglied in der Gewerkschaft. Als sie mal meine Baustelle besuchten, habe ich spontan unterschrieben. Syna hat mir in meiner Notlage geholfen. Mein Lohn und der von anderen wird jetzt eingeklagt, das Verfahren läuft noch. Ich hoffe, dass ich wenigstens etwas von dem Geld bekomme. Das Schlimmste aber ist, dass der ehemalige Chef einfach wieder ein neues Unternehmen gründen kann. Das müsste verboten werden!

«Syna hat mir in meiner Notlage geholfen.»

Fredi Oertli
Meine Branche heute

Es läuft allgemein einiges nicht gut im Baugewerbe. Gekrampft haben wir schon immer viel. Aber heute ist der Druck zu gross. Man nimmt keine Rücksicht mehr auf die Arbeiter: Egal ob es eisig und rutschig ist im Winter oder über 30 Grad heiss im Sommer – du musst immer auf der Baustelle stehen. Früher war das anders, man hat mehr auf die Gesundheit der Leute geachtet. Wir hatten auch mehr Zeit für unsere Arbeit. Wie gesagt: Gekrampft wurde auch früher. Aber wir hatten weniger Termindruck. Heute muss schon alles fertig sein, bevor du richtig begonnen hast. Ich arbeite gern sauber und in Ruhe. Doch diese Ruhe hast du heute nicht mehr. Du musst auch länger arbeiten, obwohl die Arbeit körperlich hart ist. Teilweise stehst du bis 19, 20 Uhr auf der Baustelle, und auch am Samstag solltest du noch kommen. Mehr Lohn gibt es aber nicht. Da musst du dich schon fragen: Arbeitest du zum Leben oder lebst du nur, um zu arbeiten?

Meine Perspektive

Mich hat die Situation mit dem ehemaligen Chef leider krank gemacht. Ich erlitt im Dezember ein Burnout. Die ganze Situation und die Angst vor der Arbeitslosigkeit haben mich fertig gemacht. Ich musste komplett runterfahren, konnte nicht mal mehr einen Brief öffnen. Mittlerweile geht es mir wieder besser. Ich pausiere immer noch, brauche noch etwas Zeit. Aber danach will ich wieder durchstarten!

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