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Temporärjobs: Wer gewinnt, wer verliert?

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Immer mehr Arbeitnehmende in der Schweiz sind temporär angestellt. Was hat es mit diesem Trend auf sich? Und wem nützt das Modell «Temporärpersonal» vor allem?

Unverbindlich in einen Job reinschnuppern oder das Geld für die nächste Reise verdienen: Gerade für junge Arbeitnehmende kann Temporärarbeit sehr attraktiv sein.
Doch längst nicht alle temporär Beschäftigten sind freiwillig in dieser Form tätig. Und die Tendenz steigt: Immer mehr Unternehmen reduzieren ihr fixes Personal, um nach Bedarf kurzfristig Temporärkräfte anzuheuern.

Fixkosten sparen 
Die Vorteile für Unternehmen liegen auf der Hand: flexible Personalkosten je nach Auftragslage, keine langen Kündigungsfristen oder andere lästige Verbindlichkeiten gegenüber den Mitarbeitenden.

Bitter wird es, wenn Temporärpersonal dazu benutzt wird, Sozialversicherungskosten einzusparen. So zu beobachten im Baugewerbe: Seit 2014 verzeichnet die Branche eine überdurchschnittlich hohe Zunahme der temporär Beschäftigten. Viele von ihnen sind älter oder gesundheitlich angeschlagen – und damit weniger leistungsfähig als ihre jungen Berufskollegen.
Guido Schluep, Branchenleiter Bau, sagt dazu: «Es kann nicht sein, dass dieses Geschäftsmodell von Unternehmen dazu missbraucht wird, das Betriebsrisiko auf ihre Angestellten abzuwälzen. Wer die harte Arbeit auf einer Baustelle ausführt, braucht einen guten Kündigungsschutz und darf nicht mit einer zweitägigen Kündigungsfrist abgeschoben werden.»

Industrie: Tendenz steigend 

Auch in der Industrie nimmt Temporärarbeit zu, wie Sektorleiter Mathias Regotz berichtet: «In der Chemie- und Pharmabranche wird vor allem in der Produktion vermehrt temporäres Personal als Ersatz für Festangestellte eingesetzt.»
Ebenso lasse sich die Entwicklung in der MEM-Industrie feststellen: «Es gibt Fälle, in denen ganze Aufträge über temporäres Personal abgewickelt werden. Unrühmlichstes Beispiel ist Bombardier, die für die Produktion der neuen SBB-Doppelstockzüge fast das gesamte Produktionspersonal temporär angestellt und nach Abschluss des Auftrages wieder auf die Strasse gestellt hat.»
Als Gründe für die zunehmende Temporärarbeit nennt Regotz die flexiblen Personalkosten sowie ein grundsätzlich tieferes Lohnniveau bei Temporärarbeit, das meist beim im Gesamtarbeitsvertrag (GAV) festgelegten Mindestlohn liege.

Maximal ausreizen 
Der Sektorleiter findet klare Worte: «Unserer Meinung nach dient die Anstellung von temporärem Personal den Arbeitgebern primär, um noch mehr Flexibilität zu erhalten. Werden Temporäre kurzfristig und in grosser Zahl entlassen, wirft das auch meist weniger hohe Wellen und verursacht keinen Imageschaden. Hier geht es den Arbeitgebern also vor allem darum, das ohnehin sehr liberale Schweizer Kündigungsrecht noch weiter auszureizen.»

Ursache Fachkräftemangel 
Etwas anders zeigt sich das Bild im Gesundheitswesen: Zwar hat auch hier die Temporärarbeit stark zugenommen – besonders in den Bereichen Langzeitpflege (Altersheime), Spitex und Psychiatrie. Doch Haupttreiber des Trends seien starker Fachkräftemangel sowie chronische Unterbesetzung, erklärt Irene Darwich, Branchenleiterin Gesundheitswesen.

Es scheint also weniger Profitdenken als vielmehr eine Notsituation zu sein, welche die Arbeitgeber zur Ausschreibung von Temporärstellen bewegt. Damit sind hier für einmal die Arbeitnehmenden am längeren Hebel: Sie können sich Arbeitgeber, Lohn und Pensum vermehrt aussuchen.