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FAR: «Aufbauen, nicht abreissen!»

Werner Rindlisbacher, gelernter Maurer und ehemaliger Sektorleiter bei Syna, war massgeblich an der Einführung des Flexiblen Altersrücktritts (FAR) im Bau beteiligt. Er erklärt im Interview, warum er heute genauso engagiert dafür kämpfen würde.

Werner, wenn du zurückblickst: Was war der wichtigste Erfolgsfaktor für den FAR?

Die Kampfmassnahmen waren zur Durchsetzung wichtig. Entscheidend war aber, dass das Modell einfach passte - auch für die Baumeister. Sie wussten genau: Das Modell ist finanzierbar, und es verhilft der Branche zu einem guten Image.
Bei allen Differenzen kam das Modell partnerschaftlich zustande - wie es in der Baubranche eigentlich Tradition ist. Deshalb wurde es dann auch von allen akzeptiert und konnte schnell umgesetzt werden.

 Warum würdest du heute wieder so engagiert für den FAR kämpfen?

Wenn du die Zufriedenheit der Arbeiter siehst, die nach 40 Jahren auf der Baustelle mit 60 in Pension gehen können, dann weisst du, was der FAR bedeutet.
Die finanziellen Abstriche, die man machen muss, sind es wert. Sonst läuft man wirklich Gefahr, das reguläre Pensionsalter entweder als IV-Rentner oder gar nicht zu erreichen.

Die Baumeister haben schon immer schwarz gemalt. Aber ich appelliere an ihre Ehre: Sie kennen den Bau selbst am besten und wissen, wie hart die Arbeit ist.
Bitte denkt an eure Leute - und an die Attraktivität eurer Branche!

Warum ist der FAR auch für die Jungen notwendig? Diese haben vielleicht gar nicht vor, bis 60 auf dem Bau zu bleiben?

Man weiss ja nie, wie lange man auf dem Bau bleibt. Manch einer bildet sich weiter, übernimmt neue Aufgaben als Polier oder Vorarbeiter - und bleibt dann doch.

Auf dem Bau haben wir gute Löhne, einen guten GAV und eben den FAR. Der Bau ist im Vergleich zu anderen Branchen attraktiv. Für diese Errungenschaften müssen wir uns aber weiterhin einsetzen. Wir sind Bauarbeiter. Wir bauen doch etwas auf, wir reissen es nicht ab!


So entstand der FAR

Die Initialzündung für eine Frühpensionierung auf dem Bau gab 1987 Anton Salzmann, Präsident des Christlichen Holz- und Bauarbeiterverbands CHB, einer Vorgängerorganisation von Syna. Seine Bemühungen führten zu einer Absichtserklärung der Baumeister - und in Jahre der Verhandlung. Denn die Baumeister wollten nicht als Erste für die Arbeitnehmenden eine Lanze brechen.
Ein erstes, freiwilliges Modell für eine frühzeitige Pensionierung fand wenig Akzeptanz.

Lebenswichtig

 Die Möglichkeit der Frühpensionierung ist nicht einfach nur angenehm, sondern lebenswichtig: Das zeigte eine Studie des Genfer Arbeitsinspektorats im Jahr 2000. Sie stellte fest, dass das Todesrisiko bei Bauarbeitern im Alter zwischen 45 und 65 drei Mal und das Invaliditätsrisiko sieben Mal höher war als bei Lehrern, Architekten oder Wissenschaftlern. Zudem wurden 40% der Bauarbeiter vor ihrem 65. Lebensjahr invalid. Die Studie sensibilisierte auch die Öffentlichkeit für das Problem.

FAR als Priorität

Die Forderung nach einem echten flexbilen Altersrücktritt wurde anschliessend zum zentralen Punkt bei der Erneuerung des Landesmantelvertrags (LMV) für den Bau 2000-2003. Man war sogar bereit, zugunsten einer guten FAR-Regelung auf Lohnanpassungen zu verzichten. Im Frühling 2022 stimmten die Baumeister den Eckwerten des heute noch gültigen FAR zu. Bereits im Juni wollten sie ihn aber zusammen mit dem LMV wieder kippen.
Auf diesen Vertragsbruch folgte ein heisser Herbst: Es kam zu diversen Streiks, nicht nur in Genf oder im Tessin, sondern auch in Regionen, wo dieses Mittel noch wenig Tradition hatte. Unvergessen bleibt die Blockade des Baregg-Tunnels im November 2002. Das brachte die Baumeister wieder an den Verhandlungstisch und verhalf dem FAR zum Durchbruch.

Und heute?

Seit Juli 2003 konnten rund 18 000 Bauarbeiter vom Arbeitsende in Würde profitieren. Dass der FAR Sinn macht, beweisen auch viele weitere Frühpensionierungsmodelle, zum Beispiel die Stiftung RESOR im Ausbaugewerbe der Westschweiz und in vielen anderen Branchen.


→ Mehr Infos zum FAR auf unserer Website

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