Skip to main content

«Alles Repetitive wird die Maschine übernehmen»

Wie entwickelt sich der Industriestandort Schweiz? Wie werden wir dereinst in der Industrie arbeiten? An der Syna-Industrietagung am Mittwoch, 27. April, wirft Futurist Joël Luc Cachelin einen Blick in die Zukunft. Ein Interview mit dem Zukunftsforscher. 

Syna.ch: Herr Cachelin, Sie haben den Blick in die Zukunft zu Ihrem zentralen Forschungsgebiet gemacht. Interessierten Sie sich bereits in Ihrer Kindheit für die Zukunft?
Joël Luc Cachelin: Mein Vater brachte uns früh Laptops nach Hause und schaute mit uns Science Fiction-Filme. Das hat mich sicher geprägt.

Wann fiel der Entscheid, dass Sie die Zukunftsforschung ins Zentrum Ihres Lebens stellen wollen?
Das war kein bewusster Entscheid, sondern hat sich aus meiner Post-Doc-Tätigkeit an der Uni St.Gallen entwickelt. Ich konnte dort ein Projekt der Schaden- und Unfallversicherung leiten. Im Erarbeiten der Trends fand ich grossen Gefallen und ich suchte nach Wegen um mich frei mit den Themen beschäftigten zu können, die mich wirklich interessieren. Das führte dann zur Gründung der Wissensfabrik.

Die wichtigste Funktion der Menschen wird es sein, neue Ideen zu liefern.

Joël Luc Cachelin

Wie blicken Sie mit Ihrem grossen Wissen zurzeit in die Zukunft?
Sicher lese ich viel und spreche mit vielen Leuten. Aber es gibt viele Menschen, die ein detailliertes und präziseres Wissen haben als ich. Meine Stärke sind die Breite und das Suchen nach überraschenden Zusammenhängen. In die Zukunft blicke ich optimistisch. Aber das 21. Jahrhundert muss eines werden, in dem wir sehr grundsätzlich über unsere Art des Innovierens nachdenken. Was wollen und müssen wir wirklich verändern?

Vor einigen Jahren hielt in Zürich ein Zukunftsforscher einen spannenden Vortrag, der mit Superstar Lady Gaga arbeitet und für sie die futuristischen Welten und den Kosmos entwirft, mit dem sie sich umgibt. Er thematisierte die Verschmelzung von Internet und Mensch.
Diese Verschmelzung ist aus meiner Sicht schon lange passiert. Aber nicht in Form eines Kabels in unserem Hinterkopf. Vielmehr verbinden uns unsere Smartphones mit dem Netz. Und alle lassen durch unsere Klicks das Internet jeden Tag wachsen. Das Netz lernt uns als Individuum, aber auch als Kollektiv jeden Tag besser kennen

Welche Rolle wird der Mensch in Zukunft in der Industrie spielen?
Alles Repetitive wird die Maschine übernehmen, übrigens auch in allen anderen Typen von Unternehmen. Dienstleistungs-, Wissens- und auch Agrar-Unternehmen werden immer ähnlicher funktionieren. Die wichtigste Funktion der Menschen wird es sein, neue Ideen zu liefern. Darüber hinaus müssen die Maschinen kontrolliert, gewartet und weiterentwickelt werden.

Was thematisieren Sie an Ihrem Vortrag in Olten?
Ich werde über die grossen Veränderungen der Arbeitswelt im 21. Jahrhundert sprechen. Über die Digitalisierung, den demographischen Wandel und die Nachhaltigkeit.

Mit welcher Art von Arbeitsmodellen und Arbeitsverträgen werden sich die Menschen in Zukunft in der Industrie-Branche konfrontiert sehen?
Wie gesagt, ich denke, die Branche wird in Zukunft nicht viel anders funktionieren als alle anderen. Für Industrie, Dienstleistungs-, Wissens- und Kulturbetriebe gilt deshalb ähnliches. Aufgrund unserer Biographien, die immer länger werden, gehe ich stark von einem Modell aus, in dem wir zwei oder drei Berufe in unserem Leben haben.

Mit welchen Folgen?
Mehr Menschen werden für mehrere Arbeitgeber gleichzeitig arbeiten. Wir werden mehrere lange Weiterbildungsphasen haben oder auch Phasen, die dazu dienen, unsere Energie und Kreativität aufzuladen. Es wird mehr Crowds geben, die zusammen die Arbeit oder das Unternehmen von anderen finanzieren. Diese Einblicke in die Zukunft zeigen, wie wichtig kontinuierliche Reformen im Bereich von Steuern, Sozialversicherungen und Bildungssystem sind.

Zur Person

Joël Luc Cachelin (1981) ist ein Schweizer Futurist. Vor dreizehn Jahren gründete er die Wissensfabrik, um Unternehmen in Zukunftsfragen zu inspirieren, zu begleiten und zu beraten. Sein Wissen bringt er in Expertengremien ein, darunter in die Beiräte des Besuchszentrums der Schweizerischen Nationalbank und Swissmedic 4.0 sowie in die Expertenkommission zum Grundversorgungsauftrag der Post.

Grundlage seiner Arbeit bildet ein Wirtschaftsstudium an der Universität St.Gallen. 2021 schloss er sein Zweitstudium mit einem Master in Geschichte an der Universität Luzern ab. Der promovierte Betriebswirt hat mehrere Sachbücher zur digitalen Transformation veröffentlicht. Sein aktuelles Buch setzt sich mit der Zukunft der Innovation auseinander («Antikörper – Innovation neu denken», 2021, Stämpfli). 

Syna-Industrietagung 

Syna-Industrietagung: Mittwoch, 27. April, Olten
Vortrag: 13.30 Uhr, Konferenzhotel Arte, Riggenbachstrasse 10, 4600 Olten
Anmeldung bis 10. April:
www.syna.ch/industrie

Ähnliche Beiträge

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.
Weitere Informationen Ablehnen Akzeptieren