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Flankierende Massnahmen: Bitte auf Augenhöhe!

Die Gewerkschaften übernehmen Verantwortung für die Sozialpartnerschaft. Gerade deshalb sind sie nicht bereit, über den Abbau des Lohnschutzes in der Schweiz zu diskutieren. Ein Kommentar von Syna-Präsident Arno Kerst zur aktuellen Entwicklung rund um die Flankierenden Massnahmen.

«Verantwortungslos» und «rückwärtsgewandt»! Die Zuschreibungen waren schnell geschrieben als Travail.Suisse und der Schweizerische Gewerkschaftsbund diese Woche verkündeten, nicht an den von Bundesrat Johann Schneider-Ammann initiierten Gesprächen zum Abbau der Flankierenden Massnahmen (FlaM) teilzunehmen. An den schweizerischen Massnahmen zum Lohnschutz stört sich die EU-Kommission schon lange. Darum will sie diese in die Verhandlungen zum Rahmenabkommen Schweiz-EU miteinbeziehen. Der Bundesrat hat die FlaM aber als rote Linie, als nicht verhandelbar erklärt.

Kein Lohndumping, in der Schweiz sollen für alle Schweizer Löhne gelten. Das ist ein Versprechen. Deshalb bieten die Gewerkschaften konsequenterweise nicht Hand zum Streichprogramm beim Lohnschutz, das jetzt vom Wirtschaftsminister vorgelegt wurde. Johann Schneider-Ammann ist nun von den Gewerkschaftern Adrian Wüthrich und Paul Rechsteiner enttäuscht, umso mehr er sich als Hüter und Anwalt der Sozialpartnerschaft versteht.

Doch welcher Sozialpartnerschaft? Genau da liegt das Problem!

Die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmenden, von mit Europa wirtschaftenden Unternehmen und inländischen Arbeitskräften sind nicht deckungsgleich: Da der Wunsch nach maximaler unternehmerischer Freiheit und Profitmaximierung, hier das Bedürfnis nach sicheren Lohn- und Arbeitsbedingungen. Da das Kapital, hier die Arbeit. Dieser Widerspruch lässt sich nicht auflösen - aber durch die Sozialpartnerschaft konstruktiv regeln – sofern die Sozialpartnerschaft auf Augenhöhe gelebt wird. Und diese gleiche Augenhöhe, dieses Gleichgewicht von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen ist bei der aktuellen Diskussion über die FlaM nicht gegeben – und zwar gleich zweifach:

  • Johann Schneider-Ammann wurde von seinen Bundesrats-Kolleg/-innen beauftragt, mit den Sozialpartnern und Kantonen über die rote Linie bei den FlaM zu sprechen. Herr Schneider-Ammann bekam umgehend von uns Gewerkschaften überdeutlich und wiederholt zu hören, dass ein Lohnschutz-Abbau nicht verhandelbar ist. Doch diese klare Position der Arbeitnehmervertreter nahm er gar nicht wahr. Stattdessen legte er ein Arbeitspapier vor, das der Demontage des eigenständigen schweizerischen Lohnschutzes gleichkommen würde.
  • Die bilateralen Verträge und die Personenfreizügigkeit sind wichtige Errungenschaften, die der Wirtschaft grosse Vorteile bringen. Dabei müssen aber die Löhne und Arbeitsbedingungen der inländischen Arbeitnehmenden geschützt werden. Nur so gibt es ein für uns akzeptables Gleichgewicht zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Arbeitnehmenden. Und nur dank diesem Schutzmechanismus hat darum bis jetzt das Stimmvolk die Personenfreizügigkeit akzeptiert. Ein Rahmenabkommen bei gleichzeitiger Verschlechterung des Lohnschutzes hätte nie und nimmer Bestand vor dem Stimmvolk!

Also nichts von verantwortungslos und rückwärtsgewandt! Travail.Suisse bietet – in enger Absprache mit Syna – aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Interessen der Arbeitnehmenden nicht Hand zum Abbau des Lohnschutzes. Und es ist auch vorausschauend, eine Abbauübung nicht zu unterstützen, die an der Urne Schiffbruch erleiden würde.

Und jetzt? Ein Scherbenhaufen? Das muss nicht sein – wenn Sozialpartnerschaft nicht nur proklamiert, sondern auch tatsächlich auf Augenhöhe gelebt wird!

Arno Kerst, Präsident

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