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Schliessung in Boncourt

Kurz vor Weihnachten erhielten die 220 Angestellten von BAT Boncourt ein bitteres Geschenk: Die Tabakfabrik sollte definitiv geschlossen werden. Laurent Crevoisier, Regionalsekretär Jura, und Juan Barahona, Zentralsekretär, haben die Mitarbeitenden während des ganzen Prozesses begleitet. 

Syna: Die Meldung zur Massenentlassung und Schliessung der Tabakfabrik in Boncourt schien wie aus dem Nichts gekommen.

Laurent: Ende Oktober rief mich die Kommunikationsabteilung von BAT an und sagte, sie hätten eine wichtige Ankündigung für die Angestellten. Da war mir klar: Sie wollen den Standort schliessen.

Juan: Wir wurden informiert, weil Syna Sozialpartnerin der BAT-Angestellten ist, die Kollektivmitglied bei uns sind. Unsere Rolle ist es, diese Kommission zu unterstützen und zu beraten. 

Was geschah dann?

Laurent: Bei einer Massenentlassung müssen uns die Arbeitnehmenden zuerst den Auftrag erteilen, sie in diesem Prozess zu begleiten. An einer Personalversammlung Anfang November haben Syna und Unia diesen Auftrag mit 95 Prozent Zustimmung erhalten.

Danach ist der Ablauf vorgegeben. Etwa 30 Angestellte haben in verschiedenen Arbeitsgruppen erarbeitet, wo allenfalls Prozesse im Betrieb optimiert, wo investiert oder auch Geld eingespart werden könnte. Sie haben berechnet, wieviel eine Schliessung des Standorts kosten würde und Marktanalysen gemacht. Die Arbeitsgruppen haben unglaubliche Arbeit geleistet – auch die Geschäftsleitung war beeindruckt.

Juan: Einen Monat lang trafen wir uns hierfür an drei, vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten, Halbtagen pro Woche. Diese Arbeit ist sehr wichtig, denn selbst wenn die Vorschläge abgelehnt und an der Schliessung und Massenentlassung festgehalten wird, können all die erarbeiteten Vorschläge im Sozialplan verwendet werden. Das heisst: jede potenzielle Einsparung legitimiert im Falle einer Schliessung einen grösseren Sozialplan.

Du sprichst vom Sozialplan. War denn die Schliessung zu dem Zeitpunkt bereits definitiv?

Juan: Nein. Es gibt immer wieder Fälle, in denen eine Schliessung abgewendet oder zumindest ein Teil der Arbeitsplätze gerettet werden kann. Die Firmen sind zu einem Sozialplan verpflichtet, sonst wären die Kündigungen missbräuchlich.

Laurent: Eine der Arbeitsgruppen hat sich deshalb mit dem Sozialplan beschäftigt. Wer würde bei einer Schliessung wieviel erhalten? Wie werden Dienstalter, Alter und soziale und familiäre Situation gewichtet? Das sind knifflige Fragen. Es bestand bereits ein Sozialplan bei BAT, dieser war aber weit von unseren Vorstellungen und jenen der Angestellten entfernt.

Juan: Viele Angestellte wären leer ausgegangen. Ausserdem ignorierte er völlig die soziale Situation der Angestellten. Im verhandelten Sozialplan ist das anders. 

Heisst das, ihr seid zufrieden mit dem Ergebnis – trotz der Schliessung?

Laurent: Zufrieden ist sicher das falsche Wort. Die Tabakfabrik ist nicht nur finanziell – als grosser Steuerzahler und Arbeitgeber – wichtig für den Kanton Jura. Sie ist Teil der Identität der Region. Für viele Angestellte ist es viel mehr als der Verlust des Arbeitsplatzes.

Juan: Davon abgesehen ist es sicher ein sehr guter Sozialplan. Wir haben erreicht, dass alle Angestellten davon profitieren und ihre soziale Situation berücksichtigt wird. Es gibt jetzt eine vom Dienstalter abhängige Abgangsentschädigung, Möglichkeiten zur Frühpensionierung und ein fixes Budget für Weiterbildungen. Alles in allem konnten wir den Umfang des Sozialplans um mehr als die Hälfte erweitern.

Was nehmt ihr mit?

Juan: Wir verbrachten über einen Monat fast jeden Tag mit den Angestellten. Sie wussten, dass sie wahrscheinlich ihre Stelle verlieren würden. Von Wut, Trauer, Lachanfällen bis Verzweiflung war alles dabei. Es war, als hätte man uns per Helikopter auf einem Schiff im Meer ausgesetzt. Trotz des Seegangs haben wir es geschafft, im Team mit den Angestellten sicher im Hafen anzukommen. 

Laurent: Ja, wir waren wie vom Rest der Welt getrennt, es war eine intensive und absurde Zeit. Mir war schnell bewusst: Das ist das wichtigste Dossier meines Berufslebens.

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