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«Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft zusammenhalten»

Den Schwächeren in der Gesellschaft eine Stimme zu geben treibt Migmar Dhakyel an. Seit Anfang Jahr tut sie dies als Zentralsekretärin bei Syna.

Was ist deine Aufgabe als Zentralsekretärin?

Migmar Dhakyel: Meine Arbeit ist es, die Interessen der Arbeitnehmenden zu vertreten, die Leute in den Branchen zu mobilisieren. In den GAV-Verhandlungen vertrete ich ihre Interessen und handle Verbesserungen aus, was nicht immer einfach ist. Das ist das Schwierigste: in der heutigen Zeit Verbesserungen herbeizuführen. Oft sitzt man mit Leuten am Verhandlungstisch, die Null Interesse daran haben.

Was motiviert dich dazu? 

Meine innere Motivation ist, die Schwächeren der Gesellschaft zu schützen, ihre Interessen zu vertreten, weil es sonst niemand tut. Sonst gilt in der Gesellschaft das Recht des Stärkeren – Menschen verelenden, ohne dass jemand reagiert. Was mich antreibt ist sicher auch die Solidarität. Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft zusammenhalten und zu den Schwächeren schauen.
Mir ist es zudem wichtig, dass politische Organisationen nicht nur anprangern und Missstände beklagen, sondern auch etwas tun. Dass die Organisation, für die ich arbeite, aktiv etwas bewegt und Teil der Veränderung ist. Das entspricht meinem Naturell: Ich kann nicht damit umgehen, wenn Leute frustriert sind, aber nichts dagegen unternehmen.

Du sagtest, deine Arbeit sei schwierig. Ist sie manchmal auch frustrierend? 

Nur schon mit den Arbeitgebern gemeinsam am Tisch zu sitzen und den Dialog zu starten ist ein Erfolg. Es ist schon viel wert, dem Arbeitgeber die Meinung sagen zu können und Unzufriedenheiten und Missstände anzusprechen. Viele Arbeitnehmende haben sonst gar keine Möglichkeit, Unstimmigkeiten zu melden und sich Gehör zu verschaffen. Diesen Arbeitnehmerinnen eine Stimme zu geben ist meine grösste Motivation. Ich sage bewusst Arbeitnehmerinnen, weil im Dienstleistungssektor vorwiegend Frauen arbeiten. Es ist typisch: Dort, wo die Löhne am tiefsten und die Arbeitsbedingungen am schlechtesten sind, arbeiten am meisten Frauen.
Bei meiner Arbeit treffe ich immer wieder auf Frauen, die den Mut haben, etwas zu ändern und die aktiv werden wollen. Das ist extrem motivierend. Viele gehen von einem negativen Menschenbild aus, dass junge Frauen nicht solidarisch seien, nicht für ihre Rechte kämpfen würden. Aber das Gegenteil ist der Fall. Doch wir müssen ihnen einen Ort geben, wo sie sich sicher fühlen und ihnen zeigen, dass sie gehört werden. Das ist das, was mich motiviert: andere Menschen zu ermutigen, gemeinsam etwas zu verändern.

Was war dein bisher bester Moment als Zentralsekretärin? 

Vor einigen Wochen war ich an einer Kommissionssitzung im Gewerbe. Einer der Vertreter der Arbeitgeber trat aus der Kommission zurück. Bei seiner Rede hatten viele der Kommissionsmitglieder Tränen in den Augen. Er sagte, er selbst stamme aus einer Arbeiterfamilie. Er habe eine Lehre gemacht und sei daraufhin einer Gewerkschaft beigetreten. Später habe er sich selbstständig gemacht. Er habe dabei aber nie vergessen, dass der Mensch im Zentrum stehe. Menschen anzustellen bedeute auch, soziale Verantwortung zu übernehmen.
Solche Momente geben einem Kraft, eine Vision. Heute sucht man bei vielen Arbeitgebern, vor allem im Dienstleistungssektor, vergebens nach dieser moralischen Grundhaltung. Menschlichkeit und soziale Wertevorstellungen findet man kaum mehr. Meist geht es nur darum, das absolute Maximum aus allem herauszuholen. Wir müssen wieder an einen Punkt kommen, wo der Mensch im Zentrum steht.

Gab es auch besonders komische oder skurrile Situationen?

Bei GAV-Verhandlungen sagte der Chef der Arbeitgeberdelegation einmal, als wir über Zuschläge für Sonntagsarbeit diskutierten, Sonntagsarbeit sei ja eigentlich etwas Positives: Wir Gewerkschaften würden uns schliesslich immer für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen. Und die Arbeit am Sonntag würde vor allem den Müttern gelegen kommen, man habe dafür unter der Woche einen Tag frei und könne sich dann selber um seine Kinder kümmern. Das machte mich schon einen Moment sprachlos.

«Das ist das, was mich motiviert: andere Menschen zu ermutigen, gemeinsam etwas zu verändern.»

Migmar Dhakyel

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