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«Gesamtarbeitsverträge ermöglichen branchenspezifische Lösungen»

Der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden hat für die neue Syna-Präsidentin Yvonne Feri oberste Priorität. Nebst besserer Planbarkeit und der Verhinderung von überlangen Arbeitstagen braucht es auf die Branchen zugeschnittene Regelungen.

Die Anzahl an Arbeitnehmenden, die unter Stress und Erschöpfung leiden, hat weiter zugenommen. Was sind die Gründe dafür?

Yvonne Feri: Von den Arbeitnehmenden wird heute viel verlangt. Einerseits sind da die Erwartungen der Vorgesetzten, wie man seine Arbeit zu verrichten hat oder wann und wie lange man erreichbar sein muss. Dazu herrscht in vielen Branchen Fachkräftemangel und viel Arbeit wird auf wenige Schultern verteilt. Die Arbeitsbelastung nimmt dadurch spürbar zu. Andererseits sind auch die Erwartungen, welche die Gesellschaft an jeden von uns hat, gestiegen. Ich denke etwa an die Auswirkungen der sozialen Medien, welche uns eine perfekte Welt vorgaukeln und Erwartungen an uns selbst wecken, die wir gar nicht erfüllen können.

Die Stiftung «Gesundheitsförderung Schweiz» schätzt die Kosten psychischer Überbelastung für die Wirtschaft auf rund 6,5 Milliarden jährlich. Warum tun sich die Arbeitgebenden so schwer mit der Einführung von präventiven Massnahmen, obwohl diese ja auch in ihrem Interesse wäre?

Man sollte nicht generalisieren. Es gibt Arbeitgebende, welche diese Problematik bereits erkannt haben. So bieten einige beispielsweise interne psychologische Unterstützung und Beratung an. Andere haben ihr Kinderbetreuungsangebot ausgebaut oder gesundheitsfördernde Massnahmen eingeführt. Das sind Best Practices, welche unbedingt weiterverbreitet werden sollten. Nebst solchen Ansätzen braucht es aber auch gesetzliche Regelungen: Die Planbarkeit der Arbeitszeiten muss verbessert, Überstunden beschränkt sowie überlange Arbeitstage verhindert werden. So können Ausfalltage wie auch stressbedingte Stellenwechsel der Arbeitnehmenden reduziert werden. Davon profitieren alle – Arbeitnehmende wie Arbeitgebende.

Aus wirtschaftsliberalen Kreisen gibt es Forderungen, unser schon sehr liberales Arbeitsgesetz weiter abzuschwächen (Bsp. Parlamentarische-Initiative Dobler). Bräuchte es nicht gerade eine gegenteilige Entwicklung?

Als neue Syna-Präsidentin kann ich hier klar sagen, der Arbeitsschutz, die Ruhezeiten und faire Überstundenregelungen sind nicht verhandelbar. Ich bin aber auch der Überzeugung, dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, wie wir gewissen Berufsgruppen – insbesondere aus dem tertiären Bereich – ihrem individuellen Wunsch nach Flexibilisierung entgegenkommen können. Dies, ohne die Arbeitszeit zu erhöhen und mit einem funktionierenden Gesundheitsschutz. Eine Aufweichung des Arbeitsgesetzes zu Gunsten der Arbeitgebenden kommt nicht in Frage.

Bergen solche Lösungen nicht auch Risiken? Durch Homeoffice zum Beispiel, vermischen sich Beruf und Freizeit immer mehr und kann so den Arbeitnehmenden auch schaden.

Homeoffice ist ein gutes Beispiel für solche individuellen Wünsche von Arbeitnehmenden. Eine gewisse Freiheit haben und beispielsweise spontan von zuhause aus arbeiten, wenn ein Arztbesuch ansteht und so der Arbeitsweg eingespart werden kann. Solche Flexibilisierungen zu Gunsten der Arbeitnehmenden sind wünschenswert. Gleichzeitig braucht es klare und gesetzeskonforme Homeoffice-Regelungen, damit Ruhezeiten eingehalten werden, das Recht auf Nichterreichbarkeit gewährt ist und keine Nacht- und Sonntagsarbeit geleistet wird. Die gelebte Sozialpartnerschaft bietet mit Gesamtarbeitsverträgen den Schlüssel für tragfähige auf die jeweilige Branche zugeschnittene Lösungen.

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