Junge Aushilfskräfte und Lernende geniessen besonderen Schutz
Ob Ferienjob oder Lehre – für jugendliche Arbeitnehmende hat der Gesetzgeber die Leitplanken eng definiert. Ein Blick auf die wichtigsten Regelungen.
Der grosse rote Schalthebel war nicht zu übersehen. Genauso wenig wie die Wirkung, die er entfaltete: Einmal umgelegt, gab es kein Zurück mehr. Knirschend setzten sich dann die Trommeln im Schlund des mächtigen Schredders in Bewegung. Die Plastikteile, die ich zuvor in die Klappe gekippt hatte, wurden zu Staub zermalmt. Damit einher ging ein schriller Lärm, der meine Ohren nachts pfeifen liess. Noch heute sehe ich zudem die aufgeschürften Hände nach getanem Tagwerk vor mir, erinnere mich, wie mich der Plastikstaub im Hals reizte und unablässig Husten liess. Schutzkleidung und Mundschutz? Fehlanzeige! Kurzum: Gesund war dieser Ferienjob in den 1980er-Jahren gewiss nicht. Doch ich war jung, 14 oder 15, und brauchte das Geld. Da störte es mich nicht, zu diesen Konditionen sogar Überstunden zu leisten. Im Gegenteil: Mit jeder zusätzlichen Minute floss schliesslich mehr Geld auf mein chronisch leeres Jugendkonto. Wenn man Nora Picchi, Leiterin Gewerkschaftspolitik, Recht und Vollzug bei Syna, solche Geschichten erzählt, huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. «Ja, das waren noch Zeiten!», lautet ihr Kommentar dann. Ein nostalgischer Unterton ist nicht zu überhören. Gleichzeitig merkt man, dass ihr die Haare zu Berge stehen. «Heute würde man eine Firma, die so mit Arbeitskräften umgeht, wohl verklagen.» Alles sei reglementiert. Besonders streng seien die Vorschriften, wenn es um den Schutz von Jugendlichen geht. Überstunden am Fliessband im Ferienjob? Undenkbar! Wer mit 14 Jahren einen Ferienjob sucht, darf – während der halben Dauer der Ferien – höchstens acht Stunden pro Tag arbeiten, pro Woche also 40 Stunden, jedoch dürfen nur leichte Arbeiten ausgeführt werden. Eine wie oben beschriebene Tätigkeit ist für Jugendliche bis 15 Jahre nicht denkbar.
Was tun, wenn Arbeitgebende Schutzmassnahmen nicht einhalten?
«Und noch ein Punkt», fährt Picchi nach einer kurzen Pause fort. «Das mit der fehlenden Schutzkleidung ist ein absolutes No-Go! Jeder Arbeitgebende hat dafür zu sorgen, dass die Angestellten entsprechend ausgestattet sind. Das gilt auch, wenn sie lediglich einen Ferienjob verrichten.» Was hätte sie an meiner Stelle getan, damals, inmitten der staubschleudernden lärmigen Maschinen? «Ich hätte nicht weitergearbeitet, sondern auf der Schutzkleidung beharrt. Und sonst das kantonale Arbeitsamt informiert», lautet die prompte Antwort. Doch so weit, dass sich am Ende SUVA und Arbeitsinspektorat einschalten, lassen es Firmen erfahrungsgemäss nicht kommen. Genauso wenig, wie sie deswegen Kündigungen aussprechen. So einfach geht das auch nicht: Laut dem «Beobachter» ist ein Ferienjob «ein auf eine bestimmte Zeit abgeschlossenes Arbeitsverhältnis. Solche Arbeitsverhältnisse sind grundsätzlich nicht kündbar – es sei denn, es wird ausdrücklich eine Kündigungsmöglichkeit vereinbart.» Das kann per E-Mail geschehen, theoretisch aber auch mündlich: Im Gegensatz zu einer Lehre muss bei einem Ferienjob kein schriftlicher Vertrag abgeschlossen werden. Zwingend notwendig ist jedoch das Einverständnis der Eltern. «Trotz allem rate ich, Abmachungen selbst für Ferienjobs schriftlich festzuhalten. Man weiss ja nie!», rät Picchi. Uff, da hatte ich Glück, denke ich. Denn abgesehen davon, dass die Eltern nie um ihr Einverständnis gefragt wurden, hatte ich bei meinen Ferienjobs nichts Schriftliches in den Händen. Ich wusste lediglich, wie hoch mein Salär sein würde. Ja, man hätte wohl vieles mit mir machen können.
Der Lehrvertrag – eine Abmachung zwischen drei Parteien
Bei einer Lehre indes sieht die Sache anders aus. Ohne schriftlichen Vertrag geht hier gar nichts. Picchi spricht sogar von einem Drei-Parteien-Vertrag: Lernende, Eltern und Arbeitgebende müssen ihn unterzeichnen. Damit werden zahlreiche rechtliche Leitplanken verbindlich. So muss ein Lehrvertrag unter anderem regeln, wie lange die Probezeit dauert: in der Regel zwischen ein bis drei Monaten, in Ausnahmefällen bis zu einem halben Jahr. Bis zum 20. Lebensjahr haben Lernende Anrecht auf fünf Wochen Ferien im Jahr, danach auf mindestens vier. Geregelt ist aber – neben dem Lohn – auch die Kündigungsfrist: Während der Probezeit sieht das Gesetz eine Frist von sieben Tagen (Kalender-, nicht Arbeitstage) vor. Die Kündigung kann auf jeden beliebigen Tag erfolgen, nicht bloss auf das Ende der Arbeitswoche – vorausgesetzt, es ist nichts Gegenteiliges vertraglich vereinbart. Natürlich, wie immer sind auch hier fristlose Kündigungen möglich, wenn sich die lernende Person etwas Gravierendes zuschulden kommen liess. Und wenn die Probezeit vorbei ist? Dann ist eine ordentliche Kündigung laut Picchi nicht möglich. Die einzige Möglichkeit, den Vertrag aufzulösen, ist in dem Moment eine Aufhebungsvereinbarung. Geregelt werden im Lehrvertrag des Weiteren die Arbeitszeiten. Auch hier macht die Gesetzgebung klare Vorgaben. Sie sind in der Broschüre «Jugendarbeitsschutz» des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) detailliert nachzulesen und können von der Website des Amtes heruntergeladen werden. Darin heisst es: «Wenn für die erwachsenen Arbeitnehmenden eine tägliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden gilt, so dürfen die jugendlichen Arbeitnehmenden höchstens 9 Stunden arbeiten. Jugendliche bis zum 16. Geburtstag dürfen höchstens bis 20 Uhr und Jugendliche ab 16 Jahren höchstens bis 22 Uhr beschäftigt werden.»
Ausnahmen für Nacht- und Sonntagsarbeit
Sonntags- und Nachtarbeit sind in der Ausbildung zudem grundsätzlich verboten. Dasselbe gilt für gefährliche Tätigkeiten. «Natürlich gilt aber auch hier, keine Regel ohne Ausnahme», gibt Picchi zu bedenken. «Wer zum Beispiel eine Lehre als Gleisbauer/-in macht, muss auch mal nachts anpacken. Möglich ist das, weil es sich bei einer Lehre primär um ein Ausbildungs- und nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt.» Bedingung sei in diesem Fall allerdings, dass ein Ausbilder oder eine Ausbilderin anwesend ist – nicht zuletzt, weil gefährliche Arbeiten ausgeführt werden.
Lehre heisst, jemanden wirklich etwas zu lehren
In ihrer Beratungstätigkeit bei der Gewerkschaft Syna sind Picchi und ihre Rechtsabteilung gelegentlich auch mit einem anderen Thema konfrontiert: «Immer wieder stehen wir unseren jungen Gewerkschaftsmitgliedern mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um den Inhalt der Lehre geht. Das heisst, wenn Arbeitgeber das Gefühl haben, die Lernenden seien lediglich ihre Handlanger», erzählt sie. Selbstredend, Tätigkeiten wie Kopieren oder das Beseitigen von Abfall gehören zu betrieblichen Aufgaben. Aber eben nicht nur. Betriebe müssen ihren Lernenden Fähigkeiten beibringen, die sie zur Ausübung des Berufs brauchen. Auch dafür gibt es klare gesetzliche Regelungen. Sie sind auf der Website des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) nachzulesen: «Die Lehre ist eine berufliche Grundbildung. Sie vermittelt die zur Ausübung eines Berufes notwendigen Fertigkeiten, Kenntnisse und Haltungen», heisst es da unmissverständlich. Mit anderen Worten: Betriebe, welche die Wissensvermittlung vernachlässigen, nehmen ihren Lehrauftrag nicht wahr. Was tun, wenn man das Gefühl hat, dass dies der Fall ist? «Zuerst einmal das Gespräch mit dem Lehrmeister beziehungsweise der Lehrmeisterin suchen!», rät Picchi. «Wenn das auch nichts nützt, kann man das kantonale Berufsbildungsamt kontaktieren und ihm die Situation schildern. Immerhin bewilligt es die Lehrstellen. Es hat somit eine Kontrollaufgabe.» Syna-Mitglieder haben noch eine weitere Möglichkeit: Sie melden sich bei Picchi und ihrem Team. Dort erhalten sie Beratung – und gegebenenfalls auch rechtliche Unterstützung. Fairerweise muss ich ergänzen: Unterstützung habe ich auch erhalten, damals in den 1980er-Jahren. Obwohl ich keine Lehre machte, sondern einfach einen Ferienjob am Fliessband und am Schredder verrichtete und nach zwei Wochen wieder weg war, nahm sich der Schichtleiter regelmässig Zeit für mich. Mit einer Engelsgeduld – und einem gewissen Stolz – verriet er mir Tricks und Kniffe im Umgang mit den schweren Maschinen. Vermutlich war das ein weiterer Grund, der mich über die fehlenden Schutzkleider und sonst prekären Arbeitsbedingungen hinwegsehen liess.