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Lohnschutz und Service-Public statt Liberalisierungsprogramm

Aus dem Projekt eines «institutionellen Abkommens» mit der Europäischen Union ist mittlerweile ein Liberalisierungsprogramm geworden. Die mit den Sondierungen beauftragte Bundesverwaltung hat in den Gesprächen mit der EU einem Abbau des Lohnschutzes und des Service- Public zugestimmt. Eine untragbare Entwicklung.

Seit Oktober 2022 ist unser Dachverband Travail.Suisse durch Präsident Adrian Wüthrich im Rahmen eines Sounding Boards, unter der Leitung von Bundesrat Ignazio Cassis, im Sondierungsprozess mitvertreten. Dass die Gewerkschaften eng einbezogen werden, ist wichtig, denn nur ein ausgewogenes Vertragspaket hat vor dem Volk eine Chance. Ein Rahmenabkommen mit der EU, welches die Beziehung mit unserem Nachbarn und wichtigsten Handelspartner längerfristig regelt, ist grundsätzlich wünschenswert. Doch nach den Sondierungsgesprächen zeigt sich, die Schweiz soll gegenüber der EU grosse Zugeständnisse machen. Der Lohnschutz soll geschwächt und der Strommarkt liberalisiert werden. Des Weiteren droht im internationalen Fernverkehr eine deutliche Verschlechterung.

Lohnschutz zentral für die Schweiz

In keinem anderen europäischen Land ist der Lohndruck so gross wie in der Schweiz. Einerseits sind die Löhne in der Schweiz grundsätzlich höher als im europäischen Ausland. Andererseits ist es für europäische Mitbewerber besonders interessant, in der Schweiz zu offerieren, denn die Preise, die sie für ihre Dienstleistungen und Produkte verlangen können, sind hier höher als in ihrem Herkunftsland. Kommt verstärkend hinzu, dass die Schweiz einen der offensten Arbeitsmärkte überhaupt hat. Kaum ein anderes Land kennt ein solch einseitiges Verhältnis zwischen Entsendung ins Land und Entsendung aus der Schweiz nach Europa. Ein guter Lohnschutz ist daher für die Schweiz unabdingbar.

Schwächung durch Übernahme von EU-Recht

Eine mögliche Übernahme von europäischem Recht würde den Schweizer Lohnschutz substanziell in Frage stellen. Das EU-Recht kennt keinen sozialpartnerschaftlichen Vollzug, keine Kaution, keine 8-Tage-Voranmeldung, keine Dienstleistungssperre. Alles Lohnschutzmassnahmen, die potenziell wegfallen könnten. Des Weiteren gelten in der EU bei der Entsendung die Spesen gemäss Herkunftsland. Die Schweiz könnte die Spesen, welche in den Gesamtarbeitsverträgen festgelegt sind, für ausländische Anbieter nicht mehr anwenden. Lohndumping und prekäre Arbeitsbedingungen sind in der Schweiz bereits jetzt eine verbreitete Realität. Rund ein Fünftel der Firmen bleibt in den Lohnkontrollen hängen. Dieser Zustand darf sich nicht weiter verschlechtern. Im Gegenteil, es braucht weitere Massnahmen für einen guten Lohnschutz.

Kritische Entwicklungen im Service Public

Nebst der Schwächung des Lohnschutzes drohen Liberalisierungen auf dem Strommarkt und bei der Bahn. Im Schienenverkehr hat der Bundesrat immer das Kooperationsmodell vertreten, welches auch wir befürworten. Die SBB haben im Rahmen dessen mit den umliegenden Bahnunternehmen länderübergreifende Verbindungen entwickelt. Die Öffnung des Personenverkehrs für private Unternehmen stellt einen Paradigmenwechsel und eine Gefahr für das Schweizer ÖV-System dar. Eine geregelte Beziehung zur EU ist wichtig, doch nicht zu diesem Preis. Der Bundesrat tut gut daran, sich in den Verhandlungen mehr für die Interessen der Schweizer Arbeitnehmenden einzusetzen.

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