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«Man muss Menschen mögen»

 So Claudia Stöckli über ihre Tätigkeit als Zentralsekretärin bei der Gewerkschaft Syna. Warum das wichtig ist und was ihre Arbeit sonst noch ausmacht, erzählt sie uns im Interview.

Was macht eigentlich eine Zentralsekretärin bei der Gewerkschaft genau? 

Claudia Stöckli: Meine Hauptaufgabe ist es, Gesamtarbeitsverträge (GAV) für Branchen oder Firmen auszuhandeln und den Vollzug sicherzustellen. In den GAV legen wir Arbeitsbedingungen fest, die besser sind als im allgemeinen Arbeitsgesetz. Und wir handeln Mindestlöhne aus, die zwingend eingehalten werden müssen. In den Verhandlungen habe ich mit verschiedenen Ansprechpartnern zu tun von Arbeitgeber- wie von Arbeitnehmendenseite. Das sind die sogenannten Sozialpartner. Ich vertrete dabei die Forderungen unserer Gewerkschaftsmitglieder.

Und woher weisst du, was unsere Mitglieder wollen? 

Zum einen hat Syna in der ganzen Schweiz zahlreiche Regionalsekretariate. Diese stehen in direktem Kontakt mit ihren Mitgliedern, sie nehmen ihre Anliegen entgegen, beraten sie im Sekretariat und besuchen sie am Arbeitsplatz. Zusätzlich führen wir regelmässige Branchenkonferenzen durch, an denen unsere Mitglieder teilnehmen. Dort nehmen wir die Anliegen und Probleme aus der Branche entgegen und formulieren gemeinsam unsere Forderungen.

Gibt es einen Erfolg, auf den du besonders gerne zurückblickst? 

Ja, den GAV für die Tankstellenshops, einer der jüngsten GAV den wir haben. Es ist der erste nationale Vertrag für den Detailhandel! Ausserdem ist er allgemeinverbindlich, er muss also von der gesamten Branche eingehalten werden. Ich war von Anfang an dabei, wir haben den Vertrag von Null aus aufgebaut. Es ist ein besonders wichtiger Vertrag in einer Branche mit sehr liberalisierten Arbeitsbedingungen und tiefen Löhnen. Wir haben es geschafft, Artikel einzubringen, um die Arbeitszeiten und die Mindestlöhne zu regulieren.
Es ist ein sehr schönes Gefühl für mich, in einen Tankstellenshop zu gehen und zu wissen, dass die Mitarbeitenden dort bessere Arbeitsbedingungen haben, weil wir erfolgreich verhandelt haben!
Das ist gleichzeitig meine grösste Motivation: Wenn ich mich anstrenge und erfolgreich bin, dann profitieren Tausende von Arbeitnehmenden davon mit guten Arbeitsbedingungen!

Wie läuft denn eine solche Verhandlung ab?

Im Allgemeinen immer gleich (lacht): Es fängt nett an, aber dann wird es schnell härter. Es wird heftig diskutiert – wir liefern uns einen richtigen verbalen Schlagabtausch. Arbeitgeber- und Arbeitnehmendenseite ziehen sich auch zurück und beraten getrennt voneinander, nehmen allenfalls nochmals Rücksprache mit ihren Mitgliedern. Wenn nötig, suchen wir nach neuen Lösungsansätzen. In der Regel finden wir am Schluss jeweils eine Lösung, die für alle tragbar ist.
Um in den Verhandlungen das Gewünschte zu erreichen, muss ich über die Kennzahlen der Branche Bescheid wissen: Ich muss wissen, wie das wirtschaftliche Umfeld ist und die Situation der Angestellten kennen. So kann ich mich auf die Argumente der Arbeitgeber vorbereiten.
Als Frau in einem männderdominierten Umfeld muss ich ausserdem besser argumentieren, als ein Mann, um ernst genommen zu werden …

Erlebst du in deiner Arbeit auch Lustiges oder Skurriles? 

(Überlegt) Hmm, leider fallen mir da eher tragikomische Situationen ein … Teilweise ist es mir unverständlich, wie gewisse Forderungen einfach aus Prinzip abgelehnt werden. Dann merke ich: Hier geht es nur noch um Macht, nicht mehr darum, wirklich eine Lösung zu finden.

«Wenn ich mich anstrenge und erfolgreich bin, dann profitieren Tausende von Arbeitnehmenden davon mit guten Arbeitsbedingungen!»

Claudia Stöckli
Wie gehst du damit um? 

Manchmal reicht es schon, informell das Gespräch zu suchen. Wenn gar nichts mehr hilft, wenden wir uns auch mal an eine Verbandsspitze. Es ist schon so: Man muss Menschen mögen, um diesen Job zu machen, sonst geht es nicht. Alle müssen bereit sein, zusammen eine Lösung zu suchen, einen gemeinsamen Nenner finden.

Was wünscht du dir für die Gewerkschaft? 

Dass die Löhne endlich steigen! Das betrifft besonders die Frauen, sie machen einen Grossteil der Arbeitnehmenden in den Tieflohnbranchen aus. Die Diskussion über Lohngleichheit ist wichtig, doch sie schafft gewisse Probleme nicht aus der Welt: So ist es nicht nachvollziehbar, warum jemand mit einem EFZ im Gastgewerbe schlechter entlöhnt werden sollte als jemand mit einem EFZ in einem Handwerksberuf. Es ist nicht in Ordnung, dass viele typische Frauenberufe per se schlechter bezahlt sind. Ich wünsche mir deshalb, dass sich mehr Frauen in der Gewerkschaft Syna organisieren, dass sie sich wehren gegen diese Ungleichheit!


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