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«Nur beklagen hilft nicht weiter»

Vanessa Cabral lässt sich nicht einfach alles gefallen. Dass sie heute nicht mehr in ihrem gelernten Beruf als Coiffeuse arbeitet, liegt nicht daran, dass ihr die Tätigkeit nicht gefallen hätte – sondern vielmehr an den schwierigen Arbeitsbedingungen. 

Ich habe schon als Kind meine Barbies frisiert. Deshalb war früh klar, dass ich Coiffeuse lernen will. Auch wenn ich heute nicht mehr in der Branche arbeite, finde ich den Beruf an sich immer noch toll. Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich, du hast mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun. Es ist eine kreative Tätigkeit, für die du einiges wissen musst: Du musst die Farbpaletten kennen, Schnitttechniken anwenden, die neusten Trends umsetzen … Und du bist auch Therapeutin: Viele Kundinnen und Kunden erzählen dir von ihren Problemen. Sie vertrauen dir und kommen immer wieder zu dir, weil du ihre Geschichte kennst. 

Die Schattenseiten 
Leider hat der Beruf ein schlechtes Image: Man denkt, eine Coiffeuse sei dumm. Sie habe den Beruf nur gelernt, weil sie keine andere Möglichkeit hatte. Dabei absolvieren wir eine 3-jährige Lehre mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ)! Die Arbeitsbedingungen in der Branche sind sehr schwierig: Du arbeitest lange, meist auch am Samstag. Viele haben kaum Mittagspause oder müssen diese abbrechen, sobald spontan ein Kunde reinkommt.
Am schlimmsten ist aber der Lohn: Eine Coiffeuse hat einen Mindestlohn von 4000 Franken brutto – ohne 13. Monatslohn! Wie soll man davon leben? Alle Coiffeusen und Coiffeure, die ich kenne, haben schon am 30. des Monats kein Geld mehr – ab da leben sie vom Trinkgeld.
Was ausserdem sehr unfair ist: Nach der dreijährigen Lehre verdienst du gleich viel wie jemand, der nur eine zweijährige Ausbildung mit Berufsattest gemacht hat. Sogar eine Aushilfe, die im Verkauf Regale auffüllt, verdient mehr.

Die Branche bietet auch zu wenig Entwicklungschancen. Deshalb machen sich viele selbstständig oder wechseln den Beruf. Ich wollte kurz nach der Ausbildung eine Filiale leiten. Damals habe ich 4000 Franken – den Mindestlohn – verdient. Man hat mir angeboten, eine grössere Filiale zu übernehmen, für 4500 Franken Monatslohn. Aber ich übernehme doch keine so grosse Verantwortung für nur 500 Franken mehr! Mir wurde klar: Egal wie ich mich weiterentwickle, finanziell wird es nicht besser. Wenn ich weiter so in die Pensionskasse einzahle, dann habe ich im Alter nur ein paar Rappen zur Verfügung. 

Erfolgreich gewehrt

Als ich von Syna angefragt wurde, für die Gewerkschaft zu arbeiten, habe ich zugesagt. Seit 2019 bin ich jetzt im Aussendienst für Syna und motiviere andere Berufsleute, der Gewerkschaft beizutreten. Ich bin schon seit dem 1. Lehrjahr Gewerkschaftsmitglied. Auslöser war ein Erlebnis im Betrieb: Alle Lernenden sollten an Weihnachten über die ganzen Feiertage arbeiten. Sogar an dem Tag, an dem wir sonst in der Schule gewesen wären. Ich wusste, das ist nicht erlaubt! Deshalb habe ich mich gewehrt. Ich habe meinen Vorgesetzten gesagt «Ihr könnt mich schon einplanen, aber ich werde nicht kommen. Und ich werde das Lehrlingsamt informieren!» Das hat gewirkt – ab diesem Zeitpunkt hatten alle Lernenden jeweils frei über die Feiertage. 

Für Verbesserungen einsetzen

Ich sage meinen Berufskolleginnen immer: «Während der Lehre hast du das Lehrlingsamt, das dir hilft. Aber danach bist du allein!» Deshalb ist es wichtig, bei der Gewerkschaft zu sein. Denn wenn wir viele sind, können wir viel mehr erreichen! Ich will andere Frauen ermutigen, sich für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen einzusetzen. Nur beklagen hilft nicht weiter.
Ich will den Frauen sagen: Bleibt in der Branche und setzt euch dafür ein, dass die Arbeitsbedingungen besser werden. Engagiert euch dafür, dass ihr mehr Lohn bekommt, damit man in Zukunft als Coiffeuse vom Lohn auch leben kann. 


Die neue Arbeiterklasse ist vornehmlich weiblich und arbeitet in der Dienstleistung. Ihre Arbeitsbedingungen sind oft prekär: Der Lohn ist tief, die Arbeitszeiten sind lang und der Druck steigt zunehmend. Dies kann sich nur ändern, wenn die Arbeitnehmerinnen aufstehen und sich für ihre Rechte einsetzen. 


syna.ch/ich-steh-auf

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