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Die Schweiz braucht dringend eine Weiterbildungsoffensive

Die Arbeitswelt verändert sich rasant, das macht Weiterbildung immer wichtiger. Aktuell sind die Hürden für die Arbeitnehmenden zu hoch und die Förderbemühungen von Arbeitgebern und öffentlicher Hand zu klein: Die Arbeitnehmenden werden allein gelassen. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, fordert deshalb eine Weiterbildungsoffensive – die Förderung der Weiterbildung muss zur gesamtgesellschaftlichen Verantwortung werden.

Die aktuellen Megatrends beschleunigen den Strukturwandel, der wiederum die Halbwertszeit von Wissen und Qualifikationen verkürzt – Berufe verschwinden, neue entstehen, Arbeitstechniken verändern sich. Kaum eine Forderung stösst auf so viel Gegenliebe wie diejenige nach mehr Weiterbildung: «Zwar wird lebenslanges Lernen und die Um-, respektive Höherqualifizierung von allen Seiten als Allerheilmittel propagiert, faktisch werden viele Arbeitnehmende aber allein gelassen», legt Gabriel Fischer, Leiter Bildungspolitik bei Travail.Suisse, den Finger auf den wunden Punkt.

Hürden der Weiterbildungsbeteiligung

Voraussetzung, um sich weiterzubilden, ist meist ein Berufsabschluss – der fehlt hierzulande vielen. Ganze 336'000 Personen ohne nachobligatorischen Abschluss hätten das Potenzial, einen Berufsabschluss für Erwachsene zu erlangen, wie eine neue Studie der Berner Fachhochschule BFH zeigt. Allerdings machen lediglich rund 5'000 Personen jährlich diesen Prozess. «Das sind gerade mal 1,5 Prozent, ein sehr grosses Potenzial für Berufsabschlüsse für Erwachsene liegt also brach», sagt Prof. Dr. Tobias Fritschi, Institutsleiter der Berner Fachhochschule und Studienautor. «Der gesellschaftliche Nutzen dieser Abschlüsse ist sehr hoch und rechtfertigt deutlich mehr Investitionen in diesen Bereich». Dazu kommt, dass sehr viele Arbeitnehmende bei der Weiterbildungsunterstützung von ihren Arbeitgebern benachteiligt werden: «Insbesondere tiefer Qualifizierte, Frauen, Migrantinnen und Teilzeit-Angestellte werden deutlich weniger unterstützt, so öffnet sich die Bildungsschere immer stärker», sagt Fischer und bezieht sich auf die Travail.Suisse-Studie «Barometer Gute Arbeit» und den Mikrozensus Weiterbildung des BfS. Zusätzlich ist auch die Unterstützung durch die öffentliche Hand limitiert, wie eine neue Studie im Auftrag der EDK zeigt. Das ist verheerend, denn gerade über das Stipendienwesen kann die Last der indirekten Kosten – etwa der Lohnausfall bei einer temporären Pensenreduktion - besser verteilt werden. Doch in den meisten Kantonen ist das Stipendiensystem zu wenig ausgebaut. Insbesondere Berufswechsler/innen, Wiedereinsteiger/innen und generell Arbeitnehmende ab 40 Jahren fallen durch die Maschen, wie die Studie zeigt. Auch die Arbeitslosenversicherung bietet zu wenig Unterstützung, lediglich 0.3 Prozent der arbeitsmarktlichen Massnahmen werden in Ausbildungszuschüsse investiert (nur rund 20 von gesamthaft über 600 Mio. Franken).

Ansätze zur Förderung der Weiterbildung

Im aktuellen Umfeld des beschleunigten Strukturwandels müssen sich Arbeitnehmende ein Arbeitsleben lang weiterbilden, um ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten. Damit darf die Verantwortung für die Weiterbildung nicht mehr als individuelle Verantwortung gesehen, sondern muss zu einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung werden. «Arbeitnehmende müssen bereit sein, Arbeitgeber müssen fördern und die öffentliche Hand muss unterstützen - es braucht eine eigentliche Weiterbildungsoffensive», sagt Fischer.

Damit die Weiterbildungsoffensive gelingt, müssen vier Punkte gewährleistet sein:

  1. Zugang ermöglichen: Nur mit einer konsequenten Förderung der Grundkompetenzen und einer Erhöhung der Anzahl Berufsabschlüsse für Erwachsene können die Hürden beim Zugang zu Weiterbildung abgebaut werden.
  2. Finanzierung erhöhen: Die finanzielle Unterstützung durch die Arbeitgeber muss frei von Diskriminierung sein und die Unterstützung durch die öffentliche Hand gehört ausgebaut. Insbesondere für die indirekten Bildungskosten braucht es Lösungen – bessere Stipendiensysteme und mehr Unterstützung durch die Arbeitslosenversicherung sind gefragt.
  3. Zeitliche Unterstützung ausbauen: Weiterbildungen sind mit zeitlichem Aufwand verbunden. Probleme der Vereinbarkeit von Weiterbildung mit Beruf, Familie, Betreuungspflichten oder Milizarbeit sind grosse Hürden. Weiterbildungen müssen deshalb konsequent modular und flexibel angeboten und freie Tage dafür in Gesamtarbeitsverträgen und Gesetz verankert werden.
  4. Information und Beratung stärken: Arbeitnehmende brauchen verlässliche Information und Beratung über Wege und Möglichkeiten der Weiterbildung. Konstruktive und hilfreiche Mitarbeitergespräche sind dafür zentral und gehören zur Fürsorgepflicht der Arbeitgeber. Auch die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung wird bei beschleunigtem Strukturwandel wichtiger werden. «Ein niederschwelliges, kostenloses und qualitativ hochstehendes Informations- und Beratungsangebot für Arbeitnehmende muss fester Bestandteil der Weiterbildungsoffensive werden», sagt Fischer.
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