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Ein Schlag ins Gesicht für Betroffene!

So sieht bürgerliche Sozialpolitik 2018 aus: Der Nationalrat kürzte in der letzten Sessionswoche die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV drastisch.
Zudem ermöglicht er den Versicherungsgesellschaften künftig eine schrankenlose Überwachung von Versicherten.
Mit diesen Gesetzesrevisionen werden Arme und Behinderte frontal angegriffen!

Wem im Alter die Rente nicht zum Leben reicht, der hat in der Schweiz Anrecht auf Ergänzungsleistungen (EL).
Das Gleiche gilt für Menschen mit einer Behinderung, die auf eine IV-Rente angewiesen sind.
Die EL sollen ein würdevolles Leben im Alter und mit einer Behinderung ermöglichen. Eingeführt wurden sie, weil man sich nicht auf existenzsichernde AHV- und IV-Renten einigen konnte.
Das hat bis jetzt ordentlich funktioniert, die EL haben die Altersarmut eingedämmt.

Kahlschlag bei den EL

Weil es immer mehr ältere Menschen und deshalb auch mehr EL-Bezügerinnen und -Bezüger gibt, hat der Bundesrat eine moderate Reform der Ergänzungsleistungen vorgeschlagen.
Was der Nationalrat nun aus dieser Reform gemacht hat, ist ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die auf die Gelder angewiesen sind: Insgesamt sollen über 770 Millionen Franken gespart werden. Das entspricht rund 15% aller Ausgaben für die EL.
Ein Kahlschlag – mit Kürzungen beim Beitrag zu den Krankenkassenprämien, bei den Beträgen für eigene Kinder und bei der Anrechnung von Heimkosten.

Doch nicht genug: Neu wird eine Art Kontrolle des Lebenswandels eingeführt. Wer in den Jahren vor der Pensionierung zu hohe Ausgaben hatte, dem wird die EL gekürzt. Und wer sich einmal einen Betrag aus der Pensionskasse auszahlen liess, muss nochmals eine zehnprozentige Kürzung der Leistungen hinnehmen, auch wenn er oder sie noch so bescheiden gelebt hat, der Betrag noch so klein ist und der Bezug schon Jahrzehnte zurückliegt – zum Beispiel für die Gründung einer Selbstständigkeit.
 

Hohn für die Betroffenen

Richtig skandalös ist auch der Beschluss zu den Mietzinsmaxima: Sie legen fest, wie viel Geld maximal für die Miete rückerstattet wird.
Seit 2001 sind die Mieten um über 20% gestiegen, ohne dass die Maxima je angepasst wurden. Deshalb kündigte man mit der aktuellen Revision eine Erhöhung der Mietzinsmaxima an. Sie wäre vor allem eine Entlastung für Betroffene in teuren Wohnregionen gewesen.
Der Nationalrat hat auch diese Verbesserung rückgängig gemacht. Mehr noch: Neu können die Kantone in gewissen Regionen die Mietzinsmaxima kürzen – ein Hohn für die Betroffenen.
Auch die Förderung des betreuten Wohnens, das unnötige und teure Heimeintritte vermieden hätte, wurde gnadenlos vom Tisch gewischt. Einzig, dass entlassene Arbeitslose ab 58 Jahren weiterhin bei ihrer bisherigen Pensionskasse versichert bleiben können, ist eine Verbesserung.

Es ist nun am Ständerat, den Kahlschlag zu korrigieren.
Syna und Travail.Suisse werden sich vehement für eine Kurskorrektur einsetzen.

Mehr Macht als die Polizei

Ebenfalls in der letzten Sessionswoche hat das Parlament beschlossen, dass Versicherungen ihre Kundinnnen und Kunden ohne richterliche Genehmigung überwachen dürfen.
Natürlich soll Betrug geahndet werden. Aber keinesfalls dürfen alle Versicherten unter Generalverdacht gestellt werden.
Genau das ermöglicht aber das neue Gesetz: Nun haben Versicherungsgesellschaften umfangreiche Befugnisse. Und das ohne richterliche Genehmigung – im Gegensatz zu Strafverfolgungsbehörden oder dem Nachrichtendienst.
Es gibt damit keine Gewähr für einen begründeten Anfangsverdacht. Private Versicherungen erhalten so mehr Macht als die Polizei, was unverhältnismässig und rechtsstaatlich bedenklich ist.Das Lobbying durch die Versicherungen hat für den Nationalrat mehr Gewicht als die Mängel – auf die auch namhafte Rechtsprofessoren hingewiesen haben.
 


Ein Beitrag aus dem Syna Magazin Nr. 3 / 6. April 2018
von Matthias Kuert Killer,
Leiter Sozialpolitik Travail.Suisse

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