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Sechs Monate nach dem Ja zur Pflegeinitiative – immer noch nichts!

Sehen Bundesrat und Parlament die Gefahr einer massiven Abwanderung des Gesundheitspersonals und eines Zusammenbruchs des Gesundheitssystems etwa nicht? Syna fordert Bundesbern auf, seinen Verfassungsauftrag mit mehr Schnelligkeit und Bedacht wahrzunehmen.

Syna begrüsst die Entscheidung des Bundesrates, den Ausbildungsteil der Initiative zu priorisieren und den von den Räten verabschiedeten indirekten Gegenvorschlags zu übernehmen. Der Mangel an diplomierten Pflegefachpersonen ist eine Realität, deren Dringlichkeit nicht mehr zu leugnen ist. Zwar hat sich die Situation etwas verbessert, da die Zahl der ausgestellten Diplome zwischen 2012 und 2019 gestiegen ist (+59 %). Der Mangel besteht jedoch weiterhin: Bis 2029 werden die ausgebildeten Fachkräfte bloss 67 % des Bedarfs an Pflegepersonal decken.

Für alle qualifizierten Pflegefachkräfte

Diese massive Bildungsoffensive darf sich aber nicht auf diplomierte Pflegefachpersonen (Tertiärstufe) beschränken, denn der Mangel trifft auch die Pflegekräfte mit Lehrabschluss (EFZ/EBA): Auch sie werden 2029 nur 80% des Bedarfs decken. Dabei sind diese qualifizierten Berufsleute in der Gesundheitsversorgung von zentraler Bedeutung. Syna fordert, dass Bundesbern die Gelegenheit nutzt und bei der Umsetzung der Initiative den Ausbildungsteil auf das gesamte qualifizierte Pflegepersonal ausweitet.

Aufwertung und Attraktivität

Der entscheidende Teil der Umsetzung der Initiative liegt in der Festlegung besserer Arbeitsbedingungen in Spitälern, Altersheimen und bei der Spitex. Laut Bundesrat betrifft der Teil über die Arbeitsbedingungen alle Pflegenden, unabhängig von ihrem Ausbildungsniveau. Syna begrüsst dies. Die Bilanz ist nämlich bitter: Viel zu viele verlassen den Beruf (42% der Pflegfachpersonen und 41,7% der Pflegekräfte), ein hoher Anteil davon vor dem 35. Lebensjahr.

Die Pflegeberufe attraktiver zu machen, trägt dazu bei, das Personal länger in der Branche zu halten. Für Syna sind dazu folgende drei Punkte zentral: den Pflegenden echte Entscheidungsbefugnis über die Arbeitszeiten und die Arbeitsorganisation geben, die Löhne anheben und die Beschwerlichkeit der Arbeit von Anfang an und während der gesamten Laufbahn wirklich berücksichtigen (siehe Forderungen weiter unten).

Vorpreschen auf kantonaler Ebene

Syna begrüsst die Suche in einigen Kantonen nach Lösungen für eine «vorzeitige Umsetzung» der Initiative. Neben schnelleren Verbesserungen könnten diese auf kantonaler Ebene legitimen Überlegungen zwischen den Behörden und den zuständigen Sozialpartnern zu Lösungen führen, die besser an die Realitäten der einzelnen Kantone angepasst sind.

Falls die Arbeitsbedingungen in einem Bundesgesetz festgelegt werden, fordert Syna Bundesbern auf, dieses auf die bestehenden Gesamtarbeitsverträge (GAV) zu basieren. Die grössten gemeinsamen Nenner, die derzeit in den kantonalen GAV bestehen, können als minimale Referenzen dienen. Kantone und Sozialpartner müssen jedoch explizit die Befugnis haben, bessere Standards auf kantonaler Ebene festzulegen.

Änderung des Finanzierungsmodells in der Pflege

Verbesserte Arbeitsbedingungen, bessere Entlohnung für die Pflege und die Möglichkeit für Pflegefachpersonen, bestimmte Leistungen direkt mit der obligatorischen Krankenkasse abzurechnen, nähren die Befürchtung, dass die Gesundheitskosten und die Krankenkassenprämien steigen könnten.

Dies sollte jedoch nicht passieren. Studien zeigen eindeutig, dass ausreichend gut ausgebildetes Pflegepersonal die Behandlungskosten und damit die Gesundheitskosten senkt. Bund und Kantone sind im Bedarfsfall dafür verantwortlich, Kontrollmechanismen einzuführen und in jedem Fall die Gesundheitskosten in vernünftigen Grenzen zu halten, um die Unterstützung der Bevölkerung für diese Reformen sicherzustellen.

Grundsätzlich und letztendlich geht es um die Frage, wie die Gesundheitsversorgung finanziert wird und wer für die unumgängliche Kostenentwicklung aufkommt. Für Syna ist klar: Das Gesundheitswesen ist Service Public und gehört in die Obhut des Staates.


Feststellungen und Forderungen von Syna

Bei den Arbeitsbedingungen sowie im Ausbildungsbereich bestehen diverse Missstände. Syna hat die wichtigsten herausgefiltert und präsentiert konkrete Lösungsvorschläge mit dem Ziel, die Zufriedenheit der Angestellten zu erhöhen, sie im Beruf zu halten und somit den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zu beheben.

Arbeitsbedingungen

Feststellungen

  • Chronischer Personalmangel
  • Überlastung des bestehenden Personals
  • Zunehmender Absentismus und Präsentismus
  • Unregelmässige Arbeitszeiten
  • Nicht eingehaltene Arbeitspläne
  • Körperliche Belastung und gesundheitliche Probleme
  • Psychische Belastung und emotionale Erschöpfung
  • Schwierigkeit, Arbeit und Familienleben in Einklang zu bringen
  • Zunehmende Unzufriedenheit
  • Zunehmendes Gefühl der Geringschätzung
  • Vorzeitiger Ausstieg aus Pflegeberufen

Forderungen

  • Mitbestimmung des Personals bei der Festlegung der Arbeitszeiten/Planungen und der Arbeitsorganisation
  • Flexible Frühpensionierung (AHV-Überbrückungsrente)
  • Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnsenkung
  • Keine Verpflichtung mehr zur Nachtarbeit ab 50 Jahren
Ausbildung
Feststellungen
  • Das Finanzierungsmodell des Gesundheitswesens erzeugt Kostendruck und gefährdet die Ausbildung (diese nimmt tendenziell ab)
  • Es gibt nicht ausreichend Absolvent/-innen einer Ausbildung in der Pflege, um den Bedarf an Personal zu decken ̶ sei es als Ersatz für diejenigen, die in Pension gehen oder den Beruf verlassen oder um dem zusätzlichen Bedarf (aufgrund der demografischen Entwicklung) zu genügen
  • 43% der Pflegekräfte verlassen den Beruf im Laufe ihrer Karriere
  • 32% der diplomierten Pflegefachpersonen und 46% des Pflegehelfer/-innen verlassen den Beruf vor dem 35. Lebensjahr
  • Die jährliche Fluktuation des Pflegepersonals liegt bei etwa 22%
Forderungen
  • Die Ausbildung innerhalb der Einrichtungen muss als «Pflegeleistung» anerkannt und von den Finanzierungsorganen vergütet werden
  • Finanzierung von zusätzlichen Ausbildungs-und Praktikumsplätzen
  • Entlöhnung von Pflegefachpersonen während ihrer Ausbildung, um die Lebenshaltungskosten zu decken
  • Anerkennung der Schlüsselrolle und angemessene Entlöhnung von Ausbildenden und Praxisausbilder/-innen
  • Bemühungen, die Absolvent/-innen nach Abschluss ihrer Ausbildung in der Branche zu halten, indem der Übergang zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Eintritt in den Arbeitsmarkt besser gewährleistet wird (sie begleiten, ihnen zunehmend Verantwortung übertragen)
  • Personen, die sich im Pflegebereich neu orientieren möchten, sollen gezielt angesprochen werden, indem modulare, berufsbegleitende Ausbildungen angeboten werden

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