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Arbeitszeit: Präsentismus und Überstunden

 Nirgends in Europa wird länger gearbeitet als in der Schweiz. Und die Belastung bei der Arbeit steigt weiter an.

Präsentismus und Überstunden gelten als Merkmale für hohe Leistung und gute Arbeit. Wegen scheinbar steigender Kundenbedürfnisse und globaler Abläufe wird immer öfter ständige Erreichbarkeit vorausgesetzt. Zudem lässt die Digitalisierung die tägliche Arbeit komplexer und dichter werden. Das Arbeitstempo steigt.

Bei Arbeitsverteilung und -planung haben die Unternehmen oft einseitig die Steigerung der Produktivität im Sinn. Die Arbeitnehmenden müssen immer flexibler sein, für sie nimmt die Planbarkeit ihrer Aktivitäten ab: keine geregelten Pensen, zerstückelte Arbeitszeiten rund um die Uhr, unsichere Einkommen in Stundenlohnverträgen und mehr Temporärarbeit. Die Angestellten können so Beruf und Privatleben schlecht miteinander vereinbaren.
Menschliche Grundbedürfnisse nach Erholung, Zeit für sich selbst und sozialem Austausch werden immer mehr beschnitten. Das ist fatal für Sicherheit und Gesundheit: Arbeitsunfälle, Erschöpfung, Burn-out, abnehmende Produktivität und innere Kündigung sind die Folgen.
Der Gesundheitsschutz, der eigentlich gesetzlich verstärkt werden müsste, soll sogar noch ausgehöhlt werden: So wird die Arbeitszeiterfassung vermehrt infrage gestellt. Die politischen Forderungen nach längeren und flexibleren Arbeitszeiten und weniger Ruhezeiten greifen den Gesundheitsschutz frontal an.

Vertrauen fehlt, Gratisarbeit nimmt zu
Obwohl die Arbeitsintensität steigt und die Arbeitszeiten immer flexibler werden, schwinden das Vertrauen und die Wertschätzung in die Arbeitnehmenden. Das ist nicht nachvollziehbar, denn eine flexiblere Arbeit sollte eigentlich grössere Eigenverantwortung mit sich bringen.
Gratisarbeit wird in immer grösserem Umfang verlangt: Arbeitsvorbereitung und Aufräumen, zusätzliche Arbeitswege, Mehrarbeit oder gleich die gesamte Arbeitszeit werden bei vielen Angestellten nicht mehr als solche erfasst und dadurch ungenügend oder gar nicht entschädigt. Die schönfärberisch genannte «Vertrauensarbeitszeit» ist vor diesem Hintergrund nichts anderes als Gratisarbeit.

Unternehmen fordern Flexibilität, bieten sie aber selbst nicht!
Während die Unternehmen von ihren Angestellten mehr Flexibilität fordern, bleiben sie gegenüber arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsmodellen sehr unflexibel.
Besonders Mütter und Väter bekommen die fehlende Flexibilität zu spüren, wenn sie Familien- und Berufsleben miteinander verbinden und sich die Erziehungs- und Familienarbeit teilen wollen. Flexible Arbeitsmodelle sind nach wie vor selten, und für Väter gibt es noch immer keinen gesetzlichen Vaterschaftsurlaub. Unternehmen und Staat bieten nur wenig bezahlbare Kinderbetreuungsangebote an. Die Chance, angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels mehr Frauen ins Arbeitsleben zu integrieren, wird so vertan.
Auch bei direkten Führungsverantwortlichen ist die Bereitschaft für arbeitnehmerfreundliche Arbeitszeitmodelle oft gering. Sie bringen sich so um deren positive Auswirkungen: weniger Absenzen, mehr Motivation und dadurch weniger Fluktuation sowie höhere Produktivität.

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