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«Wenn man mir droht, dann kämpfe ich!»

Silvia Kiener ist 60 Jahre alt und gelernte Verkäuferin. Nach der Trennung von ihrem Mann und 10 Jahren als Hausfrau und Mutter war sie dringend auf einen Job angewiesen, um sich und ihren Sohn durchzubringen. Damals fand sie eine Teilzeit-Anstellung bei einem Bäcker. Seit 13 Jahren arbeitet sie nun Vollzeit im Verkauf eines grossen Detailhandelsunternehmens.

Als mein Sohn geboren wurde, habe ich eine 10-jährige Mutterschaftspause eingelegt. Dies würde ich heute keiner Frau empfehlen! Spannend war aber, zu sehen, dass sich nach 10 Jahren rein gar nichts verbessert hatte. Die Löhne waren genau dieselben, und die Arbeitszeiten hatten sich sogar verschlechtert. Früher hatten wir eine richtige Mittagspause, da die Läden über Mittag geschlossen waren. Dies ist heute nicht mehr der Fall. 

Überzeugte Gewerkschafterin 
Seit der Lehre bin ich Gewerkschaftsmitglied. Ich war mir immer bewusst, dass ich eine Organisation hinter mir brauche. In meiner Branche gehöre ich da aber leider zu einer Minderheit. Denn im Detailhandel werden ganz bewusst Menschen eingestellt, die von diesem Job abhängen. Sie kann man ruhig halten. Meine Kolleginnen und Kollegen kommen immer auf mich zu, wenn sie Fragen haben oder einfach nur Dampf ablassen wollen. Ich arbeite an der Kasse – wenn ich sie auf mich zukommen sehe, weiss ich schon: Da ist wieder etwas los. Dank den Kursen von Syna bin ich sehr gut über das Arbeitsrecht informiert. Ich sage oft: Ich bin eine unentgeltliche Beratungsstelle an der Kasse! Das mache ich aber gerne, weil ich merke, dass meine Hilfe Stärke gibt.

Meinen Kolleginnen und Kollegen sagen mir: «Ich brauche das Geld selbst. Ich kann nicht noch Beiträge an die Gewerkschaft zahlen.» Aber sie verstehen nicht, dass sich eine Mitgliedschaft auszahlt. Denn eine Gewerkschaft mit 1000 Mitgliedern kann mehr bewirken als eine mit nur 10! 

Drohen funktioniert nicht! 
Vor 4 Jahren erlebte ich die schlimmste Zeit in der Arbeit. Unsere Filialleiterin hat das Personal gemobbt und war nie mit unserer Leistung zufrieden. Wenn sie schlechte Laune hatte, knöpfte sie sich eine Person vor. Eines Tages rief sie mich ins Büro, schloss die Tür und begann, mich fertig zu machen. Da dachte ich: «Jetzt ist Schluss!»
Ich kontaktierte das Regionalsekretariat von Syna, und gemeinsam formulierten wir ein Schreiben an die Personalabteilung der Zentrale. Ich wurde vorgeladen, doch die zwei Männer, die mir gegenübersassen, waren nicht freundlich zu mir. Ich muss ehrlich sagen: Ohne die Gewerkschaft hätte ich es nicht geschafft. Man dachte wohl: «Diese kleine Verkäuferin wagt es, gegen uns vorzugehen.» Entsprechend wurde ich behandelt. Es wurde mir mit Kündigung und Versetzung in eine andere Filiale gedroht. Das war dann zu viel. Denn wenn man mir droht, dann kämpfe ich! Ich lasse mir nicht drohen, schon gar nicht von Männern. Ich habe ihnen entgegnet, dass ich mir dies nicht gefallen lassen würde. Daraufhin wurde der Ton plötzlich ruhiger.

Ich wurde letztlich in eine andere Filiale versetzt, worüber ich im Nachhinein sehr froh bin. Jetzt habe ich einen netten Chef, der uns fair behandelt. Er kontrolliert uns nicht – die frühere Chefin hat uns permanent überwacht auf den Monitoren in ihrem Büro. 

Angst hinter sich lassen 

Meine Kolleginnen und Kollegen verlassen sich auf mich. Bei Problemen kommen sie immer zu mir und sagen: «Sag du etwas! Bitte, bitte. Sag dus!» Sehr oft erhebe ich dann meine Stimme. Aber es kann doch nicht sein, dass es immer nur einzelne Personen sind, die aufstehen! Ich wünsche mir, dass sich mehr Menschen trauen, sich zu wehren. Sie werden dir immer mit Kündigung drohen. Doch wenn wir diese Angst nicht hinter uns lassen, sind wir verloren. 

Die neue Arbeiterklasse ist vornehmlich weiblich und arbeitet in der Dienstleistung. Ihre Arbeitsbedingungen sind oft prekär: Der Lohn ist tief, die Arbeitszeiten sind lang und der Druck steigt zunehmend. Dies kann sich nur ändern, wenn die Arbeitnehmerinnen aufstehen und sich für ihre Rechte einsetzen. 


syna.ch/ich-steh-auf

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