Teilzeitarbeit für Männer: Ein Schlüssel zu mehr Gleichstellung
Viele Männer möchten Teilzeit arbeiten, aber nur wenige Familien können diese Arbeitsaufteilung umsetzen. Besonders im Baugewerbe ist das Problem stark ausgeprägt. Der Verein Pro Teilzeit setzt sich dafür ein, diese Ungleichheit zu beheben.
Barbara Rimml, du bist Projektleiterin beim Verein Pro Teilzeit. Wofür setzt ihr euch ein und mit welchen Partnern arbeitet ihr zusammen?
Unser Ziel ist es, Teilzeitarbeit für alle zugänglich zu machen. Männer und Frauen sollen die gleichen Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben haben, unabhängig davon, ob sie im Büro oder auf dem Bau arbeiten, und unabhängig von ihrer Position. Wir setzen uns auch dafür ein, dass Teilzeitbeschäftigte in Arbeits- und Sozialversicherungsfragen dieselben Rechte haben wie Vollzeitbeschäftigte. Gemeinsam mit den Branchenverbänden und Gewerkschaften setzen wir deshalb verschiedene Förderprojekte um. Diese branchenspezifische Zusammenarbeit ist entscheidend, weil Arbeitszeitfragen oft in den Gesamtarbeitsverträgen geregelt werden und es je nach Branche und Beruf andere organisatorische Herausforderungen bei der Umsetzung von Teilzeitarbeit gibt.
Warum ist es wichtig, dass Teilzeitarbeit für alle zugänglich ist?
Es geht um Gleichstellung. Wenn Paare eine Familie gründen und die Erwerbs- und Familienarbeit gleichberechtigt aufteilen wollen, stehen sie oft vor gesellschaftlichen und strukturellen Hürden. Der Familienbericht des Bundesamts für Statistik zeigt, dass viele Paare das Modell «beide Teilzeit» als ideal ansehen. Dennoch können nur 13 Prozent der befragten Eltern dieses Modell tatsächlich umsetzen. Der Grund dafür: Teilzeitarbeit ist ungleich verteilt. Sechs von zehn Frauen arbeiten Teilzeit, aber nur zwei von zehn Männern. Solange Teilzeitarbeit so ungleich verteilt bleibt und Männer nach einer Familiengründung nicht im gleichen Masse Teilzeit arbeiten können wie Frauen, werden wir keine echte Gleichstellung erreichen. Das Eidgenössische Büro für Gleichstellung unterstützt unsere Projekte.
Eine Studie der ETH Zürich zeigt, dass Manner, die Teilzeitstellen suchen, von Rekrutierenden seltener kontaktiert werden als Frauen. Woran liegt das?
Die Studie verdeutlicht, dass traditionelle Rollenbilder in der Arbeitswelt noch tief verwurzelt sind. Ein Mann, der eine Teilzeitstelle sucht, hat eine bis zu 28 Prozent geringere Chance, kontaktiert zu werden, im Vergleich zu einem Mann mit Vollzeitwunsch. Bei Frauen ist dieser Effekt auch vorhanden, jedoch schwächer ausgeprägt. Bei ihnen wird Teilzeitarbeit eher akzeptiert, und in frauendominierten Branchen ist Teilzeitarbeit anerkannter als in männerdominierten Branchen. Diese Vorurteile behindern eine gerechtere Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit.
Gibt es branchenspezifische Unterschiede bei der Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten?
Ja, der Anteil an Teilzeitarbeit variiert stark zwischen den Branchen. Im Dienstleistungssektor ist fast jede zweite Stelle eine Teilzeitstelle, im Bau- und Industriesektor hingegen nur jede sechste. Diese Ungleichverteilung zeigt sich vor allem bei den Männern: Im Dienstleistungssektor arbeiten rund 30 Prozent der Männer Teilzeit, im Baugewerbe sind es dagegen nur etwa 7 Prozent.
Aktuell plant ihr Projekte zur Forderung der Vereinbarkeit im Holzbau und im Gebäudehüllengewerbe. Wie sieht euer Plan aus?
Wir starten diesen Herbst in beiden Branchen mit Umfragen und befragen sowohl die Mitarbeitenden als auch die Unternehmen. Wir möchten von den Mitarbeitenden wissen, wie zufrieden sie mit ihrem Arbeitspensum sind, wie gut sie Beruf und Privatleben vereinbaren können, wo sie Verbesserungspotenzial sehen und was sie von weiteren Arbeitszeitmodellen wie beispielsweise der Viertagewoche halten. Bei den Unternehmen interessiert uns nebst diesen Fragen ihre Haltung zur Teilzeitarbeit und die grössten Herausforderungen, die sie dabei sehen. Die Umfrage dient für uns auch als niederschwelliger Erstkontakt mit Unternehmen. So können wir herauszufinden, bei welchen Firmen Interesse an einem Erfahrungsaustausch und weiteren Projektaktivitäten besteht.
Wie geht es danach weiter?
Die Umfrageresultate dienen als Basis für die weitere Projektgestaltung. Geplant sind Arbeitsgruppen, Webinare und eine Porträtserie. Unternehmen können von niederschwelliger Beratung und fachlicher Begleitung für betriebsinterne Pilotprojekte profitieren. Zudem werden wir überprüfen, ob es in den Gesamtarbeitsverträgen Klärungsbedarf gibt bei den Bestimmungen zu Teilzeitarbeit. Mit den Projekten wollen wir letztendlich praxisorientierte Hilfsmittel und Vorlagen für die Branchen erarbeiten.
Im Maler- und Gipsergewerbe der Deutschschweiz habt ihr bereits ein Projekt umgesetzt. Welche Erfahrungen habt ihr dort gemacht?
Als wir 2018 das Projekt im Maler- und Gipsergewerbe starteten, antworteten viele Unternehmen, dass Teilzeitarbeit auf dem Bau in Kleinfirmen gar nicht möglich sei. Andere wiederum schrieben, es sei nur eine Frage der Einstellung, der Organisation und der Kommunikation. Durch Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern, der Erarbeitung von Hilfsmitteln und der Kommunikation von guten Beispielen ist es uns gelungen, Offenheit gegenüber Teilzeitarbeit in der Branche zu verankern. Der Fachkräftemangel hat ebenfalls dazu beigetragen, dass sich viele Unternehmen heute keine ablehnende Haltung mehr leisten können. Trotzdem bleibt Teilzeitarbeit im Bau eine Herausforderung, besonders im Vergleich zu Bürojobs. Mit unseren Projekten wollen wir Lösungen für diese Herausforderungen finden und zeigen, dass Teilzeitarbeit auch in handwerklichen Berufen eine Chance ist und eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben allen nützt.