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«Man braucht ein dickes Fell»

Empathie und Menschlichkeit stehen für Juan Barahona, Zentralsekretär bei Syna, im Zentrum seiner Arbeit. Weshalb man zwischendurch aber auch auf den Tisch hauen muss, erzählt er uns im Interview.

Was tust du bei Syna?

Der Kern meiner Arbeit ist es, die Rechte und Interessen unserer Mitglieder und der Arbeitnehmenden allgemein gegenüber der Arbeitgeberschaft zu vertreten und zu verteidigen. In GAV-Verhandlungen verhandeln wir über Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. Wir Zentralsekretär/-innen überprüfen aber auch, ob diese GAV dann angewendet werden, also vollzogen. Dies geschieht durch paritätische Kommissionen, in denen jeweils die Arbeitnehmenden- und die Arbeitgebendenseite vertreten sind. Auch wichtig sind die Kontakte zu den Medien und politischen Vertreter/-innen.

Was ist deine Motivation, was magst du an deinem Job besonders?

Für meinen Job muss man die Menschen mögen. Man muss empathisch sein und gut zuhören können. Man darf auch nicht verbohrt sein und dogmatisch auf seinen eigenen Ansichten beharren, sondern auf die Arbeitnehmenden und -gebenden zugehen können. Wesentlich ist wirklich das Menschliche. Die Vielfalt des Menschen. Aber man muss belastbar sein. Wir lösen dauernd Probleme und haben mit Konfliktsituationen zu tun, vor allem die Mitarbeitenden in den Regionalsekretariaten. Ausserdem muss es oft sehr schnell gehen. Es wäre schön, wenn wir mehr Zeit für die Entwicklung und Förderung einsetzen könnten.

Syna hat ausserdem viele ausländische Mitglieder. Das gefällt mir. Ich identifiziere mich auch persönlich damit, weil mein Vater in den 1960er Jahren aus Spanien immigrierte. Das gehört auch zu „die Menschen mögen": Wenn wir Menschen, die anders sind als wir, nicht mögen würden, wäre unser Job ziemlich schwierig (lacht).

Woher weisst du, was die Mitglieder brauchen, was ihre Bedürfnisse sind?

Vor allem durch die Regionalsekretär/-innen. Ich persönlich bin gerne draussen bei den Leuten und nehme auch gerne an Versammlungen der Regionen und Sektionen sowie an Personalversammlungen teil. Auch Branchenkonferenzen sind wichtig, um mit unseren Mitgliedern die Hauptthemen zu identifizieren und Prioritäten zu setzen.

Wichtig zu wissen ist, dass wir Zentralsekretär/-innen auf Mandat arbeiten. Das heisst: Wir verhandeln im Auftrag unserer Mitglieder. Sie sagen uns, worauf wir bei den Verhandlungen den Fokus legen sollen.

Gibt es einen Erfolg, auf den du besonders gerne zurückblickst?

Man muss bescheiden sein – Erfolge sind immer kollektive Erfolge. Was mich aber besonders freut ist, dass Syna Unterzeichnerin fast aller in der Romandie existierenden GAV im Gesundheitsbereich ist. Das zeigt, dass wir in einer sehr wichtigen Branche anerkannt und respektiert werden.

Eine wichtige gewerkschaftliche Errungenschaft ist auch das Vorruhestandsmodell für die Gesundheitsbranche, wo die Arbeit oft sehr beschwerlich ist.

«Man muss bescheiden sein – Erfolge sind immer kollektive Erfolge.»

Juan Barahona
Gab es auch komische Momente oder bizarre Situationen?

Man braucht ein dickes Fell. Man muss einstecken können, und manchmal auch austeilen (lacht). Arbeitgeber können dich schon Mal persönlich angreifen. Wenn es um Verhandlungen geht, darfst du keine Angst haben und auch mal auf den Tisch hauen, um dir Respekt zu verschaffen. Manchmal läuft es aber auch sehr gut, vor allem im sozialen Bereich ist das so, sicher auch wegen deren beruflichem Hintergrund. Bei diesen Verhandlungen ist es manchmal fast so, als sässen nur Gewerkschafter/-innen am Tisch (lacht).

Was macht deiner Meinung nach die Gewerkschaftsarbeit aus?

Die treffendste Erklärung dafür erhielt ich, als ich einmal zwei Arbeiter während eines Ausseneinsatzes fragte, ob sie denn Mitglieder einer Gewerkschaft seien. Der erste Mann verneinte, er brauche das nicht. Der zweite Mann, selbst Mitglied einer Gewerkschaft, antwortete darauf, dann solle dieser seine sechste Woche Ferien zurückgeben, wieder zwei Stunden pro Woche mehr arbeiten, auf einen Teil seines Lohnes verzichten. Er zählte eine ganze Liste von Dingen auf, die die Gewerkschaften für ihn erreicht haben, obwohl er selbst nicht Mitglied ist. Ich fand das sehr schön. Und es verdeutlicht die Bedeutung des Kollektivs, der Gemeinschaft in der Gewerkschaft. Wir sind keine individuelle „Versicherung". Deshalb ist die Mitgliedschaft bei einer Gewerkschaft auch so wichtig: Wenn wir in eine Verhandlung eintreten und sagen können, dass wir in dieser Branche 1000 Personen vertreten hat das ein anderes Gewicht, als wenn es nur 10 sind.

Wie hast du die Situation während des Lockdowns erlebt?

Ganz speziell war, dass wir keinen Zutritt zu den Institutionen hatten. Das erschwert die gewerkschaftliche Arbeit ungemein. Normalerweise machen wir regelmässig Besuche in den Firmen oder Institutionen, aber das war da nicht möglich. Auch Personalversammlungen konnten nicht mehr abgehalten werden. Das ist mancherorts auch jetzt immer noch nicht möglich. Es geht nicht, dass Arbeitgeber diese Situation missbrauchen, um die Gewerkschaftsfreiheit einzuschränken.

Allgemein waren unsere Mitglieder sehr beansprucht während dieser Zeit. Der Grossteil der Probleme – Überstunden, fehlendes Personal etc. – war schon vorher bekannt, aber sie wurden sichtbarer. Es wurde klar, dass es eine Aufwertung dieser Berufe braucht. Und damit meine ich nicht nur das Pflegepersonal. Sondern alle, die in einem Krankenhaus arbeiten, also auch das Putz- und Küchenpersonal.


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