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«Es braucht Massnahmen zur Entlastung der Arbeitnehmenden»

Die Furcht vor einer Stromknappheit wächst. Und damit die Sorge, dass deren Folgen auf dem Buckel der Arbeitnehmenden ausgetragen werden. Das darf nicht sein, sagt Johann Tscherrig, Leiter Interessens- und Vertragspolitik bei Syna. 

Syna: Was sich lange niemand vorzustellen wagte, könnte Realität werden, nämlich dass es zu Stromengpässen und markanten Sparmassnahmen kommt. Inwiefern ist das ein Thema für die Gewerkschaften?

Johann Tscherrig: Wir sind Mitglied in einer Allianz, die auf Initiative von Swissmem gegründet wurde und in der zahlreiche Arbeitnehmendenorganisationen Einsitz haben. Deren Ziel: Stromsparen auf freiwilliger Basis. Zugleich will sie Druck auf die Politik ausüben, damit die Energiesicherheit auch im Winter gewährleistet ist. Das ist diejenige Seite, die Syna unterstützt.

Und die andere Seite?

Nicht in unserem Sinne ist, wenn die Arbeitnehmenden die Zeche dafür zahlen müssen, dass der Bundesrat verfehlt hat, einen Energieengpass abzuwenden. Wenn deswegen Betriebe nicht mehr mit voller Leistung produzieren können und Kurzarbeit – oder gar Entlassungen – anordnen, wird das einmal mehr auf dem Buckel der Arbeitnehmenden ausgetragen. Sie bluten ohnehin schon aufgrund der gestiegenen Preise. Und dann sollen sie obendrein nur noch 80 Prozent ihres normalen Lohnes von der Arbeitslosenkasse erhalten? So weit darf es nicht kommen! Es braucht Härtefallmassnahmen. 

Wie in Deutschland, wo es ein milliardenschweres Massnahmenpaket gibt?

Die Aufgabe unseres Staates wäre es gewesen, dafür zu sorgen, dass es nicht zu einer Stromknappheit kommt. Somit sind der Staat, aber auch Arbeitgebende, nun gegenüber den Angestellten in der Pflicht. Um die Arbeitnehmenden möglichst gut zu schützen, müssen wir auch auf höchster Ebene mit dem Bundesrat kommunizieren, um unsere Interessen kundzutun. Dazu arbeiten wir unter anderem eng mit unserem Dachverband Travail.Suisse zusammen. Langfristig muss das Ziel sein, Sicherheit zu schaffen. Denn es kann auch nicht sein, dass jeden Herbst wieder Panik geschürt wird, wie in Zeiten der Pandemie. 

Wie lauten die Forderungen von Syna?

Grundsätzlich verlangen wir, dass mit der Energie haushälterisch umgegangen wird. Bei Weihnachtsbeleuchtungen, Reklame und Ähnlichem kann gespart werden. Gleichzeitig aber reichen die bisherigen Lohnforderungen nicht, für die wir uns stark machen, um die steigenden Energiekosten zu decken. Wenn es brenzlig wird, fordern wir für die Arbeitnehmenden, welche aufgrund der Energiekrise ihren Job verlieren, eine hundertprozentige Lohnausfall-Entschädigung. Eine zusätzliche Entlastung der Haushalte soll über die Steuern möglich werden. Die Politik muss zudem endlich dafür sorgen, dass sich nicht einzelne Firmen mit überrissenen Preisen an der aktuellen Situation bereichern. 

Was ist von Forderungen zu halten, dass in den Büros und Produktionsstätten weniger geheizt wird, um Strom zu sparen?

Sobald es die Gesundheit der Arbeitnehmenden angreift, ist das nicht akzeptabel. Es bringt nichts, wenn gespart wird, nur damit die Maschinen weiterlaufen. Immerhin: Das Bewusstsein, dass die Gesundheit ein wichtiges Gut ist, hat sich dank der Pandemie auch bei Arbeitgebenden verfestigt. 

Energieknappheit betrifft nicht nur die Industrie, sondern alle Branchen. Ein Coiffeurbetrieb zum Beispiel kann ohne Strom nicht arbeiten. Wie arbeiten die Branchenverantwortlichen von Syna zusammen?

Sehr eng! Und das wird immer wichtiger werden. Jetzt ist gute Koordination gefragt. Ein Thema, das man sich auch von anderen Instanzen schon längst gewünscht hätte. 

Was ist da schiefgelaufen?

Wir haben das Thema «Energie» und «Verfügbarkeit von Strom» zu wenig ernst genommen und stets darauf vertraut, dass wir in der Schweiz ja genug Wasserkraft hätten. Leider ein Irrglaube! 

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