Zum Hauptinhalt springen

«Ich arbeite noch einen Tag pro Woche»

Victoria kommt ursprünglich aus Lettland und arbeitet in einem Hotel in Murten. Sie ist froh, dass sie trotz der Krise und der wenigen Gäste ihren Job behalten kann. Dass sie wegen der Kurzarbeit nur 80% des Lohns erhält, bereitet ihr aber Sorgen.

Meine Integration 

Ich bin seit 2019 in der Schweiz und habe Arbeitserfahrung aus Deutschland, Österreich und Italien. Dort lebte ich zuletzt viele Jahre; meine Tochter studiert und lebt immer noch dort. Wir besuchen uns oft. Das geht jetzt mit der Ausgangssperre in Italien nicht mehr, und ich vermisse sie sehr. Wenige Wochen nach meiner Einreise in die Schweiz fand ich eine Stelle in einem Hotel als Zimmerfrau – anfangs mit Kurzaufenthaltsbewilligung, da mein Arbeitsvertrag befristet war. Ich hatte aber auch in Italien und Österreich bereits in der Gastronomie und in der Reinigung gearbeitet.
So erhielt ich bald einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Das hat mich sehr gefreut, denn so konnte ich bei meiner Gemeinde den B-Ausweis beantragen, also die Aufenthaltsbewilligung! Ich habe mich Anfang Jahr auch für einen Deutschkurs angemeldet. Dieser hätte im April begonnen, wurde jedoch wegen des Coronavirus verschoben. Mein Ausweis ist aber direkt für fünf Jahre ausgestellt. Ich habe also genug Zeit, um gut Deutsch zu lernen, bevor er verlängert werden muss.

Meine Arbeit 

Im Hotel ging die Zahl der Gäste Mitte März schlagartig zurück. Die Allermeisten sind ausländische Touristen, die sich einen längeren Aufenthalt in Murten leisten können. Sie alle reisten zurück in ihr Heimatland. Nur ein Gast aus Spanien blieb bei uns – mittlerweile ist sie aber auch ausgereist. Ich hatte von Mitte bis Ende März geplante Ferien. Als ich von den Ferien zurückkam, waren alle Zimmer leer. Aber dann kam ein Gast, der seine Quarantäne bei uns verbringt. Seitdem er hier ist, müssen wir alle Mundschutz und Handschuhe tragen. Zu Beginn war ich schon etwas verunsichert. Aber wir wurden gut unterrichtet, wie wir uns schützen können. Mittlerweile sind rund fünf Zimmer belegt. Da wir so wenige Gäste haben, arbeite ich nur noch etwa einen Tag pro Woche. Ich hoffe, dass wir bald wieder in unseren normalen Arbeitsalltag zurückfinden. Diese Unsicherheit – auch bezüglich der Gesundheitsmassnahmen – belastet mich schon. Ich kann nicht verstehen, dass die Schweizer Behörden keinen Mundschutz vorschreiben.  

Mein Lohn 

Der Hotelinhaber erklärte uns Angestellten, dass er Kurzarbeit beantragen würde. Dies sei eine Art Versicherung für den Arbeitsausfall durch das Coronavirus. In Italien gibt es ja für solche Fälle die «Cassa Integrazione». Jedoch habe ich noch nie gehört, dass ein Hotel jemals davon hätte profitieren können!
Jedenfalls war beruhigend, dass keiner einzigen meiner Kolleginnen gekündigt wurde – auch nicht den 2 Mitarbeiterinnen, die erst noch Anfang Jahr angestellt worden waren. Das war positiv! Ich unterschrieb also wie meine Kolleginnen vor mir die Einverständniserklärung zur Kurzarbeit. Ich habe verstanden, dass ich wahrscheinlich nicht mehr den vollen Lohn erhalten werde, vielleicht nur 80%. Das beunruhigt mich: Als Ungelernte habe ich einen sehr tiefen Lohn, und die Lebenshaltungskosten hier sind hoch. Nach Abzug der Quellensteuer erhalte ich normalerweise knapp 2900 Franken im Monat für mein Vollpensum. Syna hat mir geholfen, die Lohnabrechnungen zu verstehen und die Ausbildungszulage für meine Tochter geltend zu machen. Wenn die Situation länger dauert, weiss ich aber noch nicht, wie ich all meinen Verpflichtungen nachkommen soll. 

Ähnliche Beiträge

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.
Weitere Informationen Ablehnen Akzeptieren