Lohndiskriminierung von Frauen nimmt weiter zu: Eine Revision des Gleichstellungsgesetzes ist nötiger denn je
Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, stellt ernüchtert fest, dass die unerklärte Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern im Jahr 2022 um weitere 0,4 Prozentpunkte angestiegen ist. Das ist ein sehr schlechtes Signal und zeigt, dass die lückenhaften Massnahmen des Parlaments zur Beseitigung der Lohndiskriminierung nicht greifen. Das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann muss deshalb endlich substanziell revidiert werden. Eine erste Massnahme in diese Richtung wird in der Wintersession des Parlaments von Nationalrätin Léonore Porchet, Vizepräsidentin von Travail.Suisse, eingereicht.
Die Situation im Bereich der Lohndiskriminierung zwischen Frauen und Männern hat sich erneut verschlechtert. Dies zeigt die alle zwei Jahre durchgeführte Analyse des Bundesamtes für Statistik, die sich auf die Schweizerische Lohnstrukturerhebung bezieht. Im Jahr 2022 beträgt der unerklärte Anteil der Lohnunterschiede 48,2%, gegenüber 47,8% im Jahr 2020. Diese Verschlechterung verdeutlicht, dass die vom Parlament 2019 verabschiedete Revision des Bundesgesetzes über die Gleichstellung von Frau und Mann nicht greift. Diese hatte zum Ziel, diesen unerklärten Teil – die Lohndiskriminierung – zu beseitigen, indem sie Unternehmen ab 100 Angestellten dazu verpflichtete, eine betriebsinterne Lohngleichheitsanalyse unter dem Aspekt der Gleichstellung durchzuführen. Seit dem 1. Juli 2020 sind 5'129 Unternehmen dazu verpflichtet, eine solche Analyse durchzuführen. Dies entspricht 0,84% aller Unternehmen in der Schweiz (Zahlen aus dem Jahr 2021).
Das revidierte Gleichstellungsgesetz weist zu viele Lücken auf. Mit dem Projekt RESPECT8-3.CH konnten Travail.Suisse und seine Mitgliedsverbände die Daten von fast 200 Unternehmen mit insgesamt rund 500'000 Arbeitnehmende analysieren. Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik: «Die Zahlen machen einmal mehr unmissverständlich klar: Die gravierenden Lücken im Gleichstellungsgesetz, die wir vergangenen März angeprangert haben, haben Konsequenzen, die sich klar beziffern lassen. Frauen verdienen im Durchschnitt 657 Franken brutto pro Monat weniger als Männer, und das ohne Grund.» Da weniger als 1% aller in der Schweiz tätigen Unternehmen und nur 44% der Arbeitnehmenden von der Verpflichtung zur Lohnanalyse betroffen sind, muss diese zwingend ausgeweitet werden.
Zwei Lücken sind vordringlich zu schliessen: Zum einen muss die Ausnahme gestrichen werden, die es einem Unternehmen erlaubt, die Analyse vier Jahre nach Durchführung einer solchen nicht zu wiederholen. Diese Ausnahme gilt, wenn die Analyse zeigt, dass die Lohngleichheit eingehalten ist, wobei dafür keine Kriterien definiert wurden. Die Vizepräsidentin von Travail.Suisse, Nationalrätin Léonore Porchet, wird in der Wintersession eine parlamentarische Initiative zu diesem Thema einreichen. Sie hält fest: «Eine grundlegende Revision des Gleichstellungsgesetzes ist notwendig und wird Zeit benötigen. Deshalb muss als erster Schritt diese Ausnahme gestrichen werden.»
Darüber hinaus wird die Verpflichtung zur betriebsinternen Lohngleichheitsanalyse durch die Unternehmen im Jahr 2032 auslaufen. Valérie Borioli Sandoz, Leiterin Gleichstellungspolitik. «Es ist nicht sinnvoll, ein Gesetz 'auf Probe' zu erlassen, zumal jedes Jahr 15% der Arbeitnehmenden die Stelle wechselt.» Das Umfeld ändert sich ständig und erfordert, dass die obligatorischen Lohnanalysen zeitlich nicht befristet sind.
Bericht von Travail.Suisse vom 8. März 2024: Evaluation: Lohnanalysen im Gleichstellungsgesetz