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Vaterschaftsurlaub: Enttäuschung und Zwischenerfolg

Der Ständerat hätte zeigen können, wie in der Schweiz eine moderne Familienpolitik aussehen würde. Er hat es nicht getan und unsere Initiative abgelehnt – obwohl den Ratsherren klar ist, dass es einen Vaterschaftsurlaub braucht …

Die im Juni 2018 eingereichte Initiative fordert 20 Tage Vaterschaftsurlaub. Dass dieser nötig ist, zeigen viele grosse internationale Unternehmen und immer mehr Städte und Kantone, die ihren werdenden Vätern teilweise schon 20 oder mehr Freitage bieten. Mit der Initiative soll der Urlaub auch für kleine Betriebe bezahlbar werden.

Das alte Bild

Die Initiative wird jetzt im Parlament beraten – zusammen mit einem Gegenvorschlag der vorberatenden Kommission, die als Kompromiss einen 10-tägigen Urlaub fordert. Die Mitglieder des Vereins «Vaterschaftsurlaub jetzt!» erlebten eine eindrückliche Ständerats-Debatte: Da wurde von eigenen Erfahrungen gesprochen und klar dargelegt, dass ein nach der Geburt präsenter Vater gut ist für die Familie und für die Kinder. Aber da war auch die Angst vor «der Wirtschaft» die das nicht bezahlen kann.
Doch gerade für die Wirtschaft ist ein Vaterschaftsurlaub notwendig, wie Ständerätin Anita Fetz plädierte: «Die KMU brauchen den Vaterschaftsurlaub, um dem Fachkräftemangel mit guten wirtschaftlichen Standortbedingungen zu begegnen. Ausserdem sollen die Frauen nicht mehr alleine das berufliche der Familiengründung tragen müssen.»

Doch noch historisch

Der Ständerat fasst also nicht den ganzen Mut, aber immerhin den halben: Er empfahl die Initiative zur Ablehnung, hiess aber den Gegenvorschlag gut. Das ist ein Zwischenerfolg. Denn erstmals anerkennt ein Gremium, dass es in der Schweiz einen Vaterschaftsurlaub braucht – etwas, dass unsere Landesregierung bis jetzt kaltschnäuzig verneint. Im Herbst wird nun der Nationalrat die Vorlage beraten. Er hat es in seiner Hand, wie der Ständerat den Zwischenweg zu gehen oder sich hinter eine wirklich moderne Familienpolitik zu stellen. Wenn er beides nicht tut, dann wird auf jeden Fall das Volk das letzte Wort dazu haben.

Richtig rechnen bitte! 

Der Vaterschaftsurlaub würde die Arbeitgeber und die Arbeitnehmenden je rund 0,055 Lohnprozente kosten – etwa einen Kaffee pro Monat. Gibt es weitere, indirekte Kosten?

In den Medien war zu lesen, dass der Gegenvorschlag von 10 Tagen Vaterschaftsurlaub neben den direkten Kosten von 230 Millionen Franken weitere, sogenannt indirekte Kosten zwischen 450 und 900 Millionen Franken auslösen könnte. Die Zahlen stammen vom KMU-Forum, einer Kommission, welche die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen in die Politik einbringen soll.

Keine richtige Grundlage 

Das KMU-Forum bezieht sich auf eine Studie über kurzzeitige pflegebedingte Arbeitsabwesenheiten. Dabei geht es aber um ungeplante Abwesenheiten – bei denen tatsächlich indirekte Kosten anfallen können: Organisation einer Ersatzlösung, Überstunden oder gar entgangene Aufträge. Beim Vaterschaftsurlaub handelt es sich dagegen um planbare Abwesenheiten. Es ist also zweifelhaft, dass diese indirekten Kosten überhaupt auftreten. Und wenn, sind sie sehr schwierig zu berechnen, je nach Situation im Betrieb.

Nur die halbe Wahrheit 

Wenn man schon von Kosten spricht, dann muss man auch mögliche Einsparungen in Betracht ziehen: So könnten krankheits- oder überlastungsbedingte Absenzen von werdenden Vätern oder Kündigungen von Müttern vermieden werden. Und wenn man mit dem Vaterschaftsurlaub mittelfristig etwas gegen den Fachkräftemangel tun kann, werden sich auch volkswirtschaftliche Kosten einsparen lassen.

-> Eine detaillierte Kostenrechnung findet sich auf vaterschaftsurlaub.ch

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