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«Eine Gewerkschaft muss anecken»

Zusammen stark – das heutige Motto von Syna scheint Hugo Fasel bereits vor 25 Jahren vorweggenommen zu haben. Ihm ist es zu verdanken, dass es Syna überhaupt gibt.  

Die Fusion beschlossen haben Peter Allemann und ich beim Wandern in den Freiburger Alpen. Da hat man schön Zeit, um Vor- und Nachteile abzuwägen. Er war damals Präsident des Christlichen Holz- und Bauarbeiterverbandes CHB, ich des Christlichen Metallarbeiterverbandes CMV. Es waren die zwei grössten der vier Gründerverbände von Syna. Mit dem CMV hatte ich zu dem Zeitpunkt bereits einige Erfahrung im Bereich Fusion: In den Jahren zuvor hatten sich ihm mehrere kleinere Industrieverbände angeschlossen, von der Textil- bis zur Chemieindustrie. Mit Metallarbeitern hatte das schon länger nicht mehr sehr viel zu tun. 

Uns beiden war wichtig, dass es eine gleichberechtigte Fusion werden sollte, keine Übernahme, in der ein Verband dominiert. Deshalb einigten wir uns darauf, die neue Gewerkschaft zunächst im Co-Präsidium zu leiten und uns beim ersten Kongress beide ordentlich zur Wahl zu stellen.

Neue Branchen

Doch vorher gab es noch Einiges zu klären. Die Industrie befand sich zu dem Zeitpunkt in einem grossen Wandel. Auch durch die Globalisierung wurden viele Betriebe in der Schweiz geschlossen oder schrumpften zusammen. Die Arbeitsplätze verlagerten sich zunehmend in den Dienstleistungssektor. Damals waren ca. 60% der Arbeitnehmenden in der Dienstleistung tätig, heute sind es rund 80%. Die Gewerkschaften mussten auf diese Veränderungen in der Arbeitswelt reagieren und versuchen, auch im Tertiärsektor Fuss zu fassen. Und als schweizweit tätige branchenübergreifende Gewerkschaft konnten wir dies viel besser als in kleinen regionalen Verbänden. Da ich gleichzeitig Präsident des CNG war, wie Synas Dachverband Travail.Suisse damals hiess, hatte ich vertieften Einblick in alle Gründerverbände und sah die Notwendigkeit – und das grosse Potenzial.

Eine Gewerkschaft für alle

Die Fusion brachte uns dazu, uns vertieft mit grundlegenden Fragen auseinanderzusetzen. Wer sind wir, wer wollen wir sein, was ist unsere Aufgabe? Diese Fragen diskutierten wir ausgiebig. Das führte dazu, dass das «christlich» aus unserem Namen gestrichen wurde. Nicht allen gefiel das: Man hatte Angst, unsere Identität zu verlieren. Völlig umsonst, wie sich gezeigt hat – unsere Wertebasis blieb schliesslich dieselbe. Aber der neue Name wirkt offener. Und eine Gewerkschaft muss offen sein, niemand darf ausgeschlossen werden oder sich ausgeschlossen fühlen. 

Aus diesem Grund war für uns klar, dass wir mehr Frauen mobilisieren mussten. Ich meine, wie sollten wir als Gewerkschaft glaubwürdig sein, wenn wir die Hälfte der Bevölkerung nicht vertreten? Gewerkschaften waren zu der Zeit noch sehr männlich geprägt. Das wollten wir ändern. Doch wie brachten wir Gleichstellungsfragen auf die gewerkschaftspolitische Agenda? Die Frauenbewegung hat den Gewerkschaften da sehr geholfen, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Wir begriffen, dass es nicht mehr reicht, nur rein quantitative Forderungen zu stellen, etwa nach höheren Löhnen. Wir mussten die Umstände umkrempeln und dafür sorgen, dass Arbeit und Familie besser vereinbar sind.

Neues wagen

Das war der eigentliche Erfolg der Fusion: Nicht nur die Schaffung neuer Strukturen. Sondern dass wir es geschafft haben, uns die wirklich wichtigen Fragen zu stellen und uns auch in neue Bereiche hineinzuwagen. Eine Gewerkschaft muss gesellschaftliche Debatten aufnehmen und ihnen ein Gesicht geben. Heute ist dies die Klimafrage. Ein Thema, das die Gesellschaft derart stark beschäftigt, hat zwingend auch Einfluss auf das Arbeitsleben und die Gewerkschaften. Es muss uns gelingen, ökologische Fragen mit der Sozialpolitik zu verbinden. Eine Gewerkschaft muss vorausdenken, freche Ideen haben und auch mal anecken. Mein Wunsch für Syna: Mutig bleiben! Und auch in den nächsten 20 Jahren Gleichstellungsfragen ins Zentrum stellen.

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