Gleiche Qualifikation, schlechtere Aussichten
Unsere Arbeit prägt unser Leben. Sie ist ein Teil unserer Identität und bestimmt unsere Lebensumstände massgeblich mit. Umso wichtiger, dass alle Menschen einen fairen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Für Menschen mit Migrationshintergrund ist bereits der Bewerbungsprozess mit zusätzlichen Hürden verbunden.
Viele kennen die Situation: Man entdeckt eine vielversprechende Stellenanzeige, bewirbt sich und wartet gespannt auf eine Rückmeldung. Doch die ersehnte Einladung zum Vorstellungsgespräch bleibt aus – ein frustrierendes Erlebnis. Studien zeigen, dass Menschen mit Migrationshintergrund dies bei der Jobsuche deutlich häufiger erleben als Personen ohne Migrationshintergrund.
Einzig der Name ist anders
Um Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt zu untersuchen, setzt die Forschung auf das sogenannte «Practice Testing». Dabei erstellen die Forschenden fiktive Bewerbungen, bei denen alle berufsrelevanten Merkmale identisch sind. Der einzige Unterschied liegt im Namen der Bewerbenden, der gezielt gewählt wird, um Herkunft oder ethnische Zugehörigkeit zu signalisieren. Durch diese Methode können unterschiedliche Rückmeldungen klar auf diskriminierende Vorurteile zurückgeführt werden.
Die erste solche Untersuchung auf dem Schweizer Arbeitsmarkt wurde 2003 von der Politikwissenschaftlerin Rosita Fibbi und ihrem Team durchgeführt. Die fiktiven Bewerbungen waren gleichwertig und unterschieden sich lediglich in Namen und Nationalität der Bewerbenden. Auf jede Stellenanzeige wurden zwei Bewerbungen geschickt. Die Ergebnisse zeigten, dass Personen mit portugiesischen, türkischen und jugoslawischen Namen seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wurden. Personen mit portugiesischen Namen mussten sich 1,33-mal häufiger bewerben, um die gleiche Anzahl Einladungen wie Bewerbende mit Schweizer Namen zu erhalten. Bei jugoslawischen Namen lag der Faktor bei 1,24 und bei Personen aus der Türkei bei 1,30.
Kaum Verbesserung
Mehr als ein Jahrzehnt später wurde das gleiche Experiment erneut durchgeführt – diesmal mit eingebürgerten Personen. Man könnte meinen, dass sich die Diskriminierung im Laufe der Zeit verringert hätte oder dass eine Einbürgerung die Chancen verbessern würde. Doch das Ergebnis war enttäuschend: Der Grad der Diskriminierung blieb nahezu unverändert. Ob jemand die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt oder nicht, spielte nur eine geringe Rolle, solange der Name als «nicht schweizerisch» wahrgenommen wurde. Interessanterweise zeigte sich bei Personen aus den Nachbarländern Deutschland und Frankreich kaum eine Benachteiligung. Dies verdeutlicht, dass nicht Migration an sich, sondern bestimmte ethnische Gruppen struktureller Benachteiligung ausgesetzt sind.
Mit diesen ernüchternden Ergebnissen steht die Schweiz nicht alleine da. Die Resultate spiegeln die Situation in anderen europäischen Ländern wider und stimmen mit internationalen Studien überein. Seit den 1990er Jahren hat sich die rassistische Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt kaum verändert.
Stereotype dominieren
Die Ursache des Problems ist, dass viele Arbeitgebende unbewusste Vorurteile haben. Studien belegen, dass Bewerbende mit ausländisch klingenden Namen oder Migrationshintergrund oft schlechter eingeschätzt werden – selbst bei gleicher Qualifikation. Dies führt dazu, dass bestimmte Gruppen als weniger geeignet angesehen werden. Diese Stereotype sind so stark verwurzelt, dass sie selbst dann dominieren, wenn sie in den Bewerbungen explizit widerlegt werden.
Es findet sogar eine doppelte Diskriminierung statt. «Studien zeigen, dass Personen mit Migrationshintergrund für höher qualifizierte Berufe weniger, für Stellen mit geringerer Bildungsanforderung aber eher eingestellt werden als gleich qualifizierte Schweizer», erklärt Véronique Rebetez, Leiterin der Fachstelle Migration bei der Gewerkschaft Syna. Die Folgen: «Menschen, die strukturellen Rassismus erfahren, haben schlechtere Chancen, eine angemessene Stelle zu finden, verdienen in der Regel weniger, sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen und konzentrieren sich vermehrt in bestimmten Branchen und Sektoren.
Grosser Handlungsbedarf
Rebetez fordert Massnahmen zur Bekämpfung dieses strukturellen Rassismus: «Es ist entscheidend, dass bei der Stellenvergabe allein die Qualifikation zählt. Dafür brauchen wir gezielte Schulungen für Personalverantwortliche und anonymisierte Bewerbungsverfahren. In Frankreich ist dies bereits Standard – dort werden Bewerbungen ohne Namen und Fotos eingereicht.» Ihre Botschaft ist eindeutig: «Gleiche Chancen sollten selbstverständlich sein. Wir dürfen nicht zulassen, dass diskriminierende Strukturen den Zugang zu Arbeit und sozialem Aufstieg behindern.»
Rebetez betont, dass die Reduzierung diskriminierender Strukturen im Bewerbungsprozess nur ein erster Schritt auf dem Weg zu echter Chancengleichheit ist. «Es braucht nicht nur eine offenere Haltung gegenüber Vielfalt, sondern auch administrative Verbesserungen, wie die schnellere Anerkennung ausländischer Abschlüsse, einschliesslich solcher aus Drittländern, sowie eine stärkere Berücksichtigung von Arbeitserfahrungen. Ebenso muss der Zugang zu Bildung gerechter gestaltet werden.» Besondere Herausforderungen sieht Rebetez bei der Integration von Personen mit Fluchtstatus in den Arbeitsmarkt: «Arbeitgeber, die Personen mit Fluchtstatus einstellen, benötigen mehr Planungssicherheit. Oft wissen sie nicht, wie lange diese bei ihnen arbeiten dürfen, was die Anreize, solche Menschen einzustellen, erheblich verringert.» Die Beispiele zeigen deutlich – Die Arbeit der Fachstelle für Migration wird auch weiterhin unverzichtbar bleiben.