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Schulden sind nicht easy

Fast 40% der 18- bis 25-Jährigen in der Schweiz leben auf Pump. Die Hintergründe.

Barbara Mantz-Frischherz und Susanna Denzler von der Schuldenberatung Carias Zürich erklären im Interview, warum sich Junge verschulden, und wie sie dies vermeiden können.

Warum verschulden sich Junge so stark?

Barbara: Das ist sehr unterschiedlich. Vielfach sind es mehrere Faktoren, die zusammenspielen, wie zum Beispiel prekäre Arbeitsverhältnisse, familiäre oder gesundheitliche Probleme oder Sucht.
Auch die Lebensumstände bringen Risiken mit sich: Die Jungen sind noch nicht vollständig im Arbeitsmarkt integriert; viele arbeiten unregelmässig und haben ein unregelmässiges oder sehr tiefes Einkommen.

Susanna: Der Auszug aus dem Elternhaus ist ein kritischer Wendepunkt: Verschuldete Jugendliche haben oft nicht gelernt, mit Geld umzugehen. Wenn das Taschengeld nicht reichte, baten sie die Eltern um Geld.
Mit dem ersten richtigen Lohn fangen sie dann an, sich grössere Dinge anzuschaffen, etwa ein Auto zu leasen. Das ist möglich, da sie zu Hause nur wenig Geld abgeben musssten.
Beim Ausziehen realisieren viele zu spät, dass zur Miete noch Ausgaben wie Krankenkasse und Versicherungen dazukommen. Die Gefahr ist gross, dass sie Ende Jahr die Steuern nicht bezahlen können.

Barbara: Es ist wichtig, schon als Kind zu lernen, mit Geld umzugehen. Das ist die Idee des Jugendlohns: Die Eltern zahlen ihren Kindern ab 12 Jahren anstelle eines Sackgeldes einen «Lohn», mit dem sie Lebenskosten wie Krankenkasse, öV- oder Handyabo selbst begleichen können. So lernen sie, ihr Geld einzuteilen.
Der Jugendlohn stärkt die Selbstverantwortung und die Finanzkompetenz.

Was sind typische Schuldenfallen?

Susanna: Die Möglichkeit, mit der Kunden- oder Kreditkarte zu bezahlen, ist gefährlich. Auch wenn du im Moment kein Geld auf dem Konto hast, kannst du trotzdem konsumieren. Viele sind sehr geschickt und schaffen es, mit ihrem Geld über Jahre zu jonglieren. Aber irgendwann geht es nicht mehr auf.

Barbara: Die Leute melden sich erst bei uns, wenn sie einen finanziellen Notfall haben. Einige kommen dann nicht mehr an ein zweites Treffen. Sie haben realisiert, dass sie ihr Konsumverhalten ändern müssten - und das ist Knochenarbeit. 
Mit scheint, dass die heutigen Jugendlichen weniger konsumkritisch sind als unsere Generation. Aber da spielt auch die Werbung eine grosse Rolle. Man muss immer mithalten, konsumieren können.
Und es ist ein Tabu, über Geld zu sprechen. Schweigen hilft aber, das Problem zu verdrängen.

Wie vermeidet man Schulden am besten?

Barbara: Bezahle wenn immer möglich cash. Überzieh das Konto nicht und erstelle ein Budget. Das klingt überhaupt nicht sexy, ist aber extrem wichtig.
Sprich mit deinen Freunden und Familienangehörigen über Geld. Hab den Mut, zu sagen, wenn du mal nicht mithalten kannst.

Susanna: Kauf erst dann etwas, wenn du das Geld dafür hast.
Spätestens, wenn du die Rechnungen nicht mehr bezahlen kannst, melde dich bei einer Schuldenberatung. Warte nicht, bis der Zahlungsbefehl kommt.
Schulden zu haben, ist nicht easy, sondern eine unglaubliche Belastung für die Betroffenen.


 «Protect me from what I want!»
Jenny Holzer, konsumkritische amerikanische Künstlerin

Subtile Influencer

Kein Wunder, sind die jüngeren Generationen weniger konsumkritisch als ihre Vorgänger: Als Digital Natives sind sie mit den sozialen Netzwerken aufgewachsen und waren von klein an Werbung aufgesetzt.
Klar, Werbung hat es schon immer gegeben. Nur war sie noch nie so subtil und manipulativ wie heute!
Neu ist, dass die Werbung mit dem sogenannten Influencer Marketing an die Kunden delegiert wurde. Die Grenze zwischen Kunde und Verkäufer löst sich so immer stärker auf.
Die «Beeinflusser» – Normalos wie du und ich – zeigen uns per Selfie, wie geil die neue Gucci-Tasche ist. Wenn sie genügend Follower, also «Mitläufer», haben, verdienen sie sogar daran.

Wir meinen, selber zu entscheiden, was wir cool finden und kaufen. De facto wird es jedoch immer schwieriger, herauszufinden, was wir wirklich wollen und was uns glücklich macht.


Weitere Auskünfte
Sabri Schumacher, Leiterin Fachstelle Jugend und Gleichstellung

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