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Wenn der Lohn plötzlich ausbleibt

Unfall oder Krankheit können dazu führen, dass jemand länger bei der Arbeit fehlt. Da kann es finanziell

Die Diagnose ist ein Schock: ein Tumor, bösartig. Eine sofortige stationäre Behandlung ist notwendig. Mit einem Schlag ist im Leben von Tamara Brunner (Name geändert) nichts mehr wie früher. Ein paar Wochen Spitalaufenthalt mit Chemo, danach Rekonvaleszenz zuhause. An Arbeiten ist länger nicht zu denken. Doch kaum geht es nach zwei Monaten etwas bergauf, folgt der nächste Schicksalsschlag: Auf dem Konto herrscht gähnende Leere, denn Tamara Brunners Arbeitgeber hat die Lohnfortzahlung eingestellt. Zuerst glaubt sie an einen Fehler. Auf Nachfrage heisst es allerdings, alles sei rechtens. Es bestünden keine Verbindlichkeiten mehr, man sei seinen Verpflichtungen nachgekommen. «Das ist traurig, aber leider wahr», sagt Dani Zoricic. Fälle wie dieser landen bei ihm als Leiter des Kompetenzzentrums Recht Deutschschweiz von Syna. Sie stimmen ihn jedes Mal aufs Neue nachdenklich: «Dahinter verbergen sich immer tragische Schicksale». Der 49-Jährige deutet auf das dicke Buch mit dem grünen Umschlag, welches er zum Interview mitgebracht hat und die ganze Zeit über fest umklammert. «In diesem Buch findet man alle rechtlichen Grundlagen zum Thema Lohnfortzahlungen. Hier steht halt eben auch schwarz auf weiss, dass der Arbeitgeber in unserem Beispiel tatsächlich im Recht ist.»

Notfalls bleibt nur der Gang aufs Sozialamt

Eine Krankentaggeldversicherung hat der Arbeitgeber für Tamara Brunner nicht abgeschlossen. Für sie könnte es somit schwierig werden, insbesondere wenn sie keine Einzeltaggeldversicherung besitzt. Nun bleibt ihr nur noch der Gang aufs Sozialamt, um einer Pfändung zu entgehen. Besser sieht es aus, wenn durch den Arbeitgeber eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen wurde. Dies würde im Einzelarbeitsvertrag erwähnt werden. Bei einigen Betrieben ist sie bereits Bestandteil des Gesamtarbeitsvertrags (GAV), doch eben längst nicht überall. Der Abschluss einer Krankentaggeldversicherung sollte für jeden Arbeitgeber obligatorisch sein, darin ist sich Syna mit ihrem Dachverband Travail.Suisse einig. Zoricic würde eine solche Neuregelung ebenfalls begrüssen. Denn eine Krankentaggeldversicherung zahlt – nach einer kurzen, verhandelbaren Wartezeit – bei Krankheit 80 Prozent des Lohns. Und das während maximal 730 Tagen. Danach übernimmt im besten Fall die Invalidenversicherung (IV), welche die Höhe der Fortzahlungen nach einem genau definierten Schema berechnet.

Wenn der Lohn trotz abgeschlossener Krankentaggeldversicherung nicht eintrifft

«Ein altbekanntes Problem», sagt Zoricic und schlägt zielsicher ein Kapitel in der Mitte seines grünen Buches auf. Oft würden Firmen ihre Lohnfortzahlungen stoppen und zuwarten, bis die Versicherung übernimmt und zahlt. Für die Betroffenen kann es inzwischen finanziell eng werden. Daher ist die Rechtsabteilung von Syna auch in solchen Fällen gefragt: Man weise dann jeweils die Arbeitgeber auf ihre Fortzahlungspflicht hin, erklärt Zoricic. Falls das Einsehen fehlt, werde man bei der Krankentaggeldversicherung der Mandantinnen und Mandanten vorstellig. «Im Extremfall kann das dazu führen, dass die Versicherung das Geld direkt überweist.» Glücklicherweise aber finde man in der Regel vorher eine Einigung.

Bei der Kündigung gelten andere Regeln

Hätte Tamara Brunner während ihrer Krankheit, nach der einzuhaltenden Sperrfrist, die Kündigung erhalten, sähe die Sache wieder anders aus. In diesem Fall kann die Krankentaggeldversicherungs-Police an den Arbeitsvertrag gebunden sein. Mit anderen Worten: Wenn dieser endet, erlischt auch die Lohnfortzahlung. Wobei es auch Lösungen gibt, bei denen die Krankentaggeldversicherung auch über das Arbeitsverhältnis hinaus Krankentaggeld fortzahlt. In beiden Fällen besteht die Möglichkeit zum Übertritt in die Einzeltaggeldversicherung. Und wie sieht es aus, wenn jemand nicht krankheitsbedingt, sondern aufgrund eines Unfalls arbeitsunfähig ist und für längere Zeit ausfällt? Zielsicher schlägt Zoricic ein weiteres Kapitel seines dicken Buches auf. «In diesem Fall kommt das Unfallgesetz zur Anwendung», erklärt er und streicht mit dem Zeigefinger auf einen Passus auf der linken Seite. Heilungs-, Rückführungs- und Transportkosten sind über die Unfallversicherung gedeckt, die für jeden Arbeitsplatz obligatorisch ist. Sie übernimmt zudem 80 Prozent des Lohnes. Dabei haben die Versicherten maximal 720 Taggelder zugute. «Der Streitpunkt ist hier halt immer, ob es sich tatsächlich um einen Unfall handelt oder um Krankheit. Je nachdem ist nämlich eine andere Stelle für die Zahlungen zuständig, und das kann immer Auswirkungen auf Franchise und Selbstbehalt haben», weiss Zoricic und schliesst das Gesetzbuch. Ein Blick auf die Uhr, er muss los. Der nächste Fall wartet auf ihn.

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