Skip to main content

«Wir sind aktuell im Gleichstellungsflow»

Linda Rosenkranz hat mit der Gewerkschaft Syna zurzeit gleich dreifach zu tun: Sie arbeitet nicht nur für unseren Dachverband Travail.Suisse, sondern ist auch Syna-Mitglied. In beiden Funktionen vertritt sie unsere Interessen gerade an der zweiten Frauen*session in Bern. 

Linda, für alle, die dich noch nicht kennen: Was machst du eigentlich genau bei Travail.Suisse? 

Meine Stelle nennt sich «Leiterin Kommunikation und Administration». Ich bin für alle Belange in der Administration zuständig; von der Buchhaltung über die Immobilienverwaltung bis hin zu Personalfragen. Zudem bin ich verantwortlich für die strategische Kommunikation von Travail.Suisse. In der Funktion bin ich quasi eine «Verkäuferin» der Inhalte des Dachverbands. Die politischen Themen, die Travail.Suisse bearbeitet, bringen wir zum Beispiel an Medienkonferenzen, auf unserer Website oder im Newsletter an die Öffentlichkeit. 

Aktuell vertrittst du uns auch als Teilnehmerin in der Frauen*session Ende Oktober. Wie ist es dazu gekommen? 

Travail.Suisse hat gemeinsam mit Syna, transfair und Hotel & Gastro Union eine Liste mit Kandidatinnen erstellt. Dafür wurde ich angefragt. Ganz ehrlich: Ich habe mich lange über die Idee einer reinen Frauen*session aufgeregt: Nur Frauen dürfen Frauen wählen, die dann unter sich über Gleichstellungsthemen diskutieren? Ernsthaft? Ich bin überzeugt: Solange sich nur die Frauen mit der Gleichstellung auseinandersetzen, kommen wir nicht weiter! Gleichstellung geht alle Geschlechter an. Darum muss es uns auch alle beschäftigen. Doch nach einigen Gesprächen wurde mir klar: Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen. Indem ich an der Frauen*session teilnehme und Themen wie Lohngleichheit oder Nachteile in den Sozialversicherungen einbringe, kann ich etwas bewegen. Zudem dürfen wir eins nicht vergessen: Wir sind aktuell im «Gleichstellungsflow». Nur schon in den Medien wird die Frauen*session grosses Interesse auslösen. Und das wird die Gleichstellungsfrage weiter befeuern. 

Wie läuft eine solche Session ab? 

Nachdem ich informiert wurde, dass ich als eine von 200 Frauen gewählt wurde, habe ich eine Liste von Kommissionen erhalten. Ich durfte mich für 3 davon bewerben. Gewählt wurde ich in die Kommission für Gleichstellung in Arbeit und Absicherung. In dieser Kommission hatten wir bereits zwei Tage Sitzungen. Darin haben wir Themen diskutiert, die uns wichtig sind und daraus Vorschläge oder Forderungen – sogenannte Vorstösse – definiert. Jeder Vorstoss wird dann jeweils von einer Sprecherin der Kommission an der Session vorgestellt. Anschliessend stimmen alle darüber ab. Die Vorstösse, die angenommen werden, werden zum Schluss ans Parlament weitergereicht. 

Wofür hast du dich in der Kommission eingesetzt? 
Mir waren 3 Themen besonders wichtig:
  1. Die Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern. Als Vertreterin von Travail.Suisse und seinen Verbänden liegt es mir natürlich besonders am Herzen, dass die Lohndiskriminierung in der Schweiz endlich ein Ende hat. Dafür haben wir ja auch gemeinsam mit Syna die Plattform respect8-3.ch ins Leben gerufen. Das neue Gleichstellungsgesetz macht zwar Vorgaben für grössere Unternehmen. Doch es gibt weder Kontrollen noch Sanktionen. Genau das fordern wir mit unserer Kommission jetzt: Es muss kontrolliert werden, ob die Unternehmen die Lohngleichheit auch umsetzen. Und Verstösse müssen bestraft werden.
  2. Betreuungs- und Erziehungsgutschriften auch für die 2. Säule: In der AHV gibt es sie bereits. Eltern (vor allem Frauen), die Teilzeit arbeiten, um Kinder zu betreuen, bekommen Gutschriften dafür. Das muss es auch im BVG geben. Denn in dieser Versicherung sind gerade die Frauen aus verschiedenen Gründen stark benachteiligt. Zum Beispiel, weil sie vielfach zu tieferen Löhnen arbeiten oder in kleineren Pensen. Diese Forderung werde ich an der Session als Sprecherin vorstellen.
  3. Ein Bundesamt für Familie und Gleichstellung. Wir haben das sogenannte «eidgenössische Büro für Gleichstellung». Dort arbeiten weniger als 10 Personen. Wir fordern im Vorstoss den Ausbau dieses Büros. Es soll ein richtiges Bundesamt für Familie und Gleichstellung entstehen, wie es die meisten europäischen Länder längst kennen. 
Wie reagiert dein Umfeld auf deine Teilnahme bei der Frauen*session? 

Es ist interessant: Nachdem meine Wahl bekannt wurde, haben mich mehrere Oberstufenschulen angefragt. Ihre Schülerinnen und Schüler nähern sich der Berufswahl. Dabei setzen sie sich unter anderem auch mit Löhnen auseinander. Ich wurde eingeladen, über die Lohndiskriminierung in der Schweiz zu sprechen. Eine gute Gelegenheit, für Lohngleichheit zu sensibilisieren. Meine Nichten, Neffen und auch meine Töchter erzählen zudem in der Schule, dass ihre Tante / ihr Mami an der Frauen*session teilnimmt. Auch das bewegt etwas. Und ich will etwas bewegen, das war mir schon immer wichtig. Nur wenn alle ihr kleines Mosaik-Steinchen setzen, gibt es ein richtig grosses Bild. 

«Ich erachte die Gewerkschaft als eine der wichtigsten sozialen Bewegungen.»

Linda Rosenkranz
Bist du deshalb Syna-Mitglied? 
Ja. Ich erachte die Gewerkschaft als eine der wichtigsten sozialen Bewegungen. Schon immer, aber seit Corona mehr denn je. Ich sehe es als meine persönliche Verpflichtung an, mich für eine solidarische Gesellschaft zu engagieren. Ich bin privilegiert, aber nicht alle haben es so gut wie ich. Viele können sich nicht so gut wehren. Oder sie haben weder das Geld noch die Energie, um sich in der Gewerkschaft zu engagieren. Diese Arbeitnehmenden will ich unterstützen. Ausserdem habe ich den Sinn für Gerechtigkeit sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen: Schon meine Mutter war Gewerkschafterin und ist in einer Isebähnler-Arbeiterfamilie gross geworden. Das hat sie, aber auch mich geprägt.

Für Syna habe ich mich entschieden, weil es eine Gewerkschaft ist, die alle Branchen vertritt. Zudem will Syna Brücken bauen – verhandeln, anstatt gleich zu streiken. Das gefällt mir. 


Ähnliche Beiträge