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«Frauen sind die Zukunft der Gewerkschaften»

 «Mehr Frauen in die Gewerkschaft!» fordert Sabri Schumacher, Syna-Verantwortliche für Gleichstellung, an der IndustriAll Weltfrauenkonferenz in Genf.

Es ist kein Geheimnis: Die Schweiz glänzt nicht punkto Gleichstellung. Bis zu meinem Geburtsjahr – 1988 – hatten die Frauen vom Gesetz her den Haushalt zu führen und mussten ihren Ehemann zuerst um Erlaubnis bitten, wenn sie einen Beruf ausüben wollten. Eine Erwerbsarbeit zu haben, galt damals als wichtiger Schritt für die Unabhängigkeit und Selbständigkeit einer Frau.

Schlechtere Karten im Beruf 

Seither hat sich einiges getan im Gleichstellungsgesetz, und mittlerweile sind viele Frauen berufstätig. Aber obwohl wir Frauen die Männer bezüglich Ausbildung sogar überholt haben, verdienen wir immer noch weniger für unsere Arbeit und arbeiten überdurchschnittlich oft im Niedriglohnsektor. Wir werden immer noch weniger ernst genommen und haben immer noch die schlechteren Karten bei Beförderungen.
Hinzukommt, dass die Mehrheit der berufstätigen Frauen eine enorme Doppelbelastung zu tragen hat. Denn neben der Erwerbsarbeit erledigen die Frauen noch den Hauptanteil der unbezahlten Hausarbeit und Kinderbetreuung. Dies wird in der Öffentlichkeit jedoch kaum thematisiert. Es gilt als normal und wird von vielen als ganz natürlich angesehen, dass die Frauen diese Arbeiten übernehmen. Ich bin mir sicher, dass sich die Frauen, die in den 70er-Jahren für ihre Emanzipation kämpften, etwas anderes darunter vorgestellt hatten.

Frauen*streik 2019 

Aus diesen und weiteren Gründen haben am 14. Juni in der Schweiz über eine halbe Million Frauen* gestreikt. Syna war von Anfang an bei der Organisation und Mobilisierung dieses wichtigen Tages dabei. Unsere Regionalsekretärinnen engagierten sich aktiv in den regionalen Komitees. Zusammen mit Frauen aller Altersgruppen, Berufsgattungen und Herkunft entwickelten sie Forderungen und planten Aktionen für den Streiktag. Die Frauen machten ihre Anliegen sichtbar, und das Thema Gleichstellung dominierte den öffentlichen Diskurs. So ging der Frauenstreik als grösste politische Demonstration in die jüngere Geschichte ein.

Noch Monate danach fühle ich diese wohltuende Wärme in der Brust. Der Streik hatte eine enorm positive Auswirkung auf das Bewusstsein und das Selbstwertgefühl von uns Frauen. Dank des Streiks hat eine Sensibilisierung stattgefunden, die dem Kampf für tatsächliche Gleichstellung schliesslich die Bedeutung und Legitimität verliehen hat, die sie verdient.

Aufgabe der Gewerkschaft ...

Das zeigt sich auch gewerkschaftsintern: sowohl jüngere Kolleginnen als auch ältere, alteingesessene Gewerkschafter, die sich bisher gar nicht mit dem Thema auseinandergesetzt hatten, interessieren sich plötzlich für Themen wie Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern. Ein solches Interesse und Engagement gibt Kraft, den Kampf weiterzuziehen.
Aktionen wie der Frauen*streik sind essenziell. Genauso essenziell sind die strukturelle Verankerung der Gleichstellungspolitik in die gesamte gewerkschaftspolitische Ausrichtung. Um dies zu gewährleisten, hat Syna eine Kommission bestehend aus Mitgliedern und Gewerkschaftsfunktionär/-innen gegründet.

... in Verhandlungen 

Dabei richten wir uns einerseits an die Arbeitgebenden:
Als Gewerkschaft haben wir eine zentrale Rolle im Arbeitsmarkt. Im Rahmen der Sozialpartnerschaft sitzen wir mit den Arbeitgebenden an einem Tisch, um die Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Diese Handlungsmacht gibt uns aber auch die Verantwortung, uns für die Gleichstellung einzusetzen. Eine unserer zentralen Forderungen in den Verhandlungen der Gesamtarbeitsverträge ist deshalb auch die Einführung eines echten Vaterschaftsurlaubs - denn ein solcher ist bis dato nicht im Schweizer Gesetz vorgesehen. Die Väter dieses Landes bekommen zur Geburt ihres Kindes einen Tag frei – genauso viel wie für einen Umzug. Um dies auch auf gesetzlicher Ebene zu ändern, haben wir zusammen mit unserem Dachverband Travail.Suisse und anderen Organisationen eine Volksinitiative lanciert für 20 Tage Vaterschaftsurlaub.

... und intern 

Weiter entwickeln wir in der Kommission aber auch Massnahmen für die Gewerkschaft selbst. Nach wie vor ist in vielen Gewerkschaften sowohl der Anteil Frauen in den Entscheidungsgremien als auch unter den Mitgliedern zu niedrig, und die Themen, Sitzungen und Kongresse werden zu stark von Männern dominiert. Auch wir haben in diesem Bereich noch einiges zu tun. Denn wenn wir glaubwürdig sein wollen, müssen wir auch selbst einhalten, was wir fordern.
Wenn uns die Geschichte eins gelehrt hat, dann dies: Nicht wir Frauen müssen uns ändern, sondern die Gesellschaft. Das gilt auch für uns Gewerkschaften: Es ist nicht an den Frauen, sich anzupassen, sondern an den Gewerkschaften, sich auch auf die Frauen auszurichten. Wenn wir wollen, dass sich Frauen angesprochen fühlen, müssen wir die Art und Weise, wie wir kommunizieren und auftreten, entsprechend verändern. Und wenn wir wollen, dass sich Frauen von uns vertreten fühlen, müssen wir uns auch für ihre Anliegen einsetzen.
Der Frauen*streiktag machte deutlich, dass die Frauen die Zukunft der Gewerkschaften sind. Jetzt liegt es an uns, dies zu verwirklichen.

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