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Frühzeitige Pension ist auch eine Wertschätzung

Wer auf dem Bau arbeitet kennt sie: Die Stiftung FAR für den flexiblen Altersrücktritt. Patrizia Trunzo leitet die Auszahlungsstelle der Stiftung bei Syna und erzählt, was das Vorruhestandsmodell für die Branche und die Angestellten auf dem Bau mit sich bringt.

 Syna: Du arbeitest für die Stiftung FAR. Was ist das genau und was tust du?

Patrizia Trunzo: FAR ermöglicht allen, die auf dem Bauhauptgewerbe arbeiten und dem Landesmantelvertrag (LMV) unterstellt sind, sich vorzeitig pensionieren zu lassen. Das heisst, anstatt mit 65 können sie bereits mit 60 in Rente gehen. Das ist eines der frühesten Pensionsalter. Das Modell gibt es jetzt schon seit 2003. Wir bei der Auszahlungsstelle Syna bearbeiten die Gesuche der Antragsteller.

Pension mit 60 – ist das nicht etwas früh?

Es ist ein freiwilliger Altersrücktritt; jeder kann selbst entscheiden, ob er das möchte. Aber wenn du jahrelang auf dem Bau gearbeitet hast bedeutet das eine grosse Belastung für den Körper. Viele schaffen das nur noch knapp mit 60.

Wie läuft das normalerweise ab wenn sich jemand frühzeitig pensionieren lassen möchte?

Dann muss er zuerst ein Gesuch ausfüllen, das findet man auf unserer Website, oder man kann es auch telefonisch bestellen. Das reicht man dann zusammen mit einigen Unterlagen bei uns oder einem anderen Standort ein – bei der Unia oder der Zentrale in Zürich. Das muss mindestens 6 Monate vor dem gewünschten Übertritt passieren. Wir prüfen dann, ob die Voraussetzungen erfüllt sind. Wenn alles in Ordnung ist, erhält der Gesuchsteller die Unterlagen und erfährt, wie viel Überbrückungsrente er erhalten würde. Bis zum tatsächlichen Übertritt kann er sich aber immer noch jederzeit umentscheiden.

Wie wird dieser vorzeitige Ruhestand finanziert?

Über Beiträge, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, ähnlich wie bei der AHV.

Wie entscheidet ihr, wer in Frührente gehen kann und wer nicht?

Es gibt gewisse Voraussetzungen, welche erfüllt sein müssen. Wir schauen uns immer die letzten 20 Jahre an. Währenddessen muss der Gesuchsteller mindestens 10 Jahre einer dem GAV FAR unterstellten Beschäftigung nachgegangen sein. Zudem muss der Antragsteller in den letzten 7 Jahren vor gewünschtem Rentenbeginn ununterbrochen in einem Betrieb gearbeitet haben, der dem GAV FAR unterstellt ist oder darf maximal 2 Jahre als arbeitslos gemeldet sein.

Und wenn er diese Anforderungen nicht erfüllt?

Wenn jemand die Voraussetzungen nicht erfüllt, klären wir ab, ob der Antragsteller sie eventuell zu einem früheren Zeitpunkt erfüllt hat oder noch erfüllen wird. Werden die Voraussetzungen nur knapp nicht erfüllt, empfehlen wir Rekurs einzulegen. In Einzelfällen kann dann beantragt werden, dass der Stiftungsrat das Gesuch gutheisst.

Aus welchen Gründen möchten sich die Gesuchsteller frühpensionieren lassen?

Recht viele, nach meinem Gefühl immer wie mehr, sind körperlich am Anschlag. Bei einigen ist mit 60 ein IV-Antrag hängig, sie sind immer wieder krank oder hatten einen Unfall... Viele schaffen es aber auch nicht bis 60 und verlassen den Bau vorher.

Aber es gibt auch die, die ihr ganzes Leben auf dem Bau gearbeitet haben und eigentlich noch fit sind, aber sagen wir mal genug gearbeitet haben. Die auch einfach das Risiko auf dem Bau nicht mehr eingehen wollen.

Und es gibt jene, denen gekündigt wurde. Ab ca. 55 ist es sehr schwierig, einen neuen Job zu finden. Verglichen mit den jüngeren ist man langsamer, mag vielleicht auch weniger tragen. Einige versuchen dann, die Zeit zur Pension mit Temporäreinsätzen zu überbrücken. Aber das ist sehr schwierig. Für sie ist die Frühpensionierung dann gewissermassen auch eine Alternative zum RAV.

Es müssen also keine gesundheitlichen Gründe vorliegen?

Nein, ab 60 hat jeder, der die Voraussetzungen erfüllt, das Recht in Pension zu gehen. Es ist wirklich ein anstrengender Job, und du musst auch zu dir schauen. Ich bin persönlich froh, dass es diese Möglichkeit gibt. Ich bin wirklich sehr froh, wenn sie noch nicht am Anschlag sind wenn sie sich bei uns melden (lächelt).

Wie schätzt du das ein: Fällt es ihnen leicht, vorzeitig in Pension zu gehen?

Die meisten tun es ja aus gesundheitlichen Gründen oder weil sie keine Stelle mehr finden. Die sind jeweils schon sehr froh um diese Möglichkeit und akzeptieren es. Aber diejenigen, die körperlich noch könnten, machen sich eher Gedanken. Manche schieben den Übertritt dann raus, trotz positivem Bescheid von uns. Nicht sehr oft, aber das gibt es.

Aber das System ist gut angesehen und akzeptiert, die Leute sind wirklich froh darum und nehmen es langsam schon als selbstverständlich. Ich habe das Gefühl, das hat sich so normalisiert: Sobald jemand bald 60 wird, stellen sie den Antrag. So wie wir mit 65 in Rente gehen tun sie es eben schon mit 60.

Spielt für sie der Arbeitgeber bei der Entscheidung auch eine Rolle?

Viele Arbeitgeber unterstützen die Gesuchsteller im Anmeldeprozess. Bei einigen Firmen geht sogar die Personalabteilung von sich aus auf die Angestellten zu, wenn sie bald 60 werden. Manchmal bitten die Arbeitgeber die Gesuchsteller vielleicht, noch etwas länger zu bleiben, um zum Beispiel noch eine Baustelle fertig zu machen. Aber wirklich daran hindern, in die Pension zu gehen, das habe ich noch nie erlebt. Für die meisten Arbeitgeber ist es auch eine Wertschätzung, sie sind froh, dass die Bauleute gesund in Rente gehen können.

Weshalb braucht es FAR – oder Vorruhestandsmodelle allgemein – aus deiner Sicht?

Ich habe das Gefühl – und ich sehe es auch an den Gesuchen – es werden immer mehr, die physisch nicht mehr können. Ich finde es wichtig, dass man diese Leute abholt. Ihnen für ihre Leistung in diesen 30-40 Arbeitsjahren etwas zurückgibt. Sie können aus dem Berufsleben aussteigen, bevor sie schlimmstenfalls bei der IV landen. Es geht natürlich vor allem um den sozialen Aspekt, aber das kommt schlussendlich auch wirtschaftlich gesehen viel günstiger.

Und ich sehe es auch an den Reaktionen. Zum Beispiel die Geschichte eines der ersten Gesuche, das ich bearbeitet habe: Dieser Rentner ruft mich noch heute zwischendurch einfach so an, fast jeden Monat, um ein Bisschen zu reden (lächelt). Und auch sonst bekomme ich immer wieder schöne Rückmeldungen. Das ist ein schönes Gefühl.

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