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«In Würde leben von meiner Arbeit»

Achour lebt seit 2013 in der Schweiz und arbeitet als Pflegehelfer in einem Neuenburger Alters- und Pflegeheim. Auch wenn die Arbeitsbedingungen schwierig sind: Sein Beruf und der Kontakt mit den Heimbewohnenden sind Achours Leidenschaft.

Meine Ankunft in der Schweiz 

Ich wuchs in Algerien auf, wo ich an einem Institut des Ministeriums für Jugend und Sport studierte. In der Folge arbeitete ich in der Verwaltung, insbesondere als Berufsberater. In die Schweiz kam ich 2013 der Liebe wegen, um mit meiner Freundin zusammenzuleben. Da meine Diplome hier nicht anerkannt wurden, arbeitete ich zuerst in der Fabrik, um eine neue Ausbildung zu finanzieren. In Bern, wo ich Deutschkurse besuchte, erzählte mir ein Ehepaar aus Afrika von den Kursen des Schweizerischen Roten Kreuzes. So habe ich dann, nach einem Praktikum in einem Heim, im Kanton Neuenburg einen Rotkreuzkurs als Hilfspfleger gemacht.

Meine neue Branche 

Schon beim Praktikum gefiel mir diese Arbeit sehr. Ich fand auch gleich nach der Ausbildung eine Anstellung. Dort arbeite ich aktuell zu 80%. Ich verdiene zwar kaum genug zum Leben, aber es ist für mich mehr als ein Job. Die Bewohnerinnen und Bewohner liegen mir am Herzen, ich tue alles für ihr Wohl. Ich versuche ihnen Herzlichkeit und Freude entgegenzubringen. Die Arbeit ist manchmal schwierig: Man muss oft Geduld haben mit den Leuten und mit den vielen Todesfällen umgehen können. Menschlich bringt es mir aber sehr viel.

Syna, meine Gewerkschaft 

Als ich neu in der Schweiz war, kannte ich Syna nicht. Nach 2 oder 3 Jahren ohne einen einzigen Fehltag verletzte ich mich beim Patiententransport leicht am Rücken. Der Arzt empfahl mir einen Tag Ruhe – und schon verlangte man von mir ein Arztzeugnis. Das geschah mit Verweis auf den kantonalen Branchen-Gesamtarbeitsvertrag, den ich bis dahin nicht gekannt hatte.
Beim Durchlesen fand ich die Stelle, wonach ein Arztzeugnis ab dem ersten Tag «ausnahmsweise» verlangt werden kann. Nachdem ich noch nie gefehlt hatte, konnte ich die strenge Auslegung in meinem Fall nicht verstehen. Deshalb meldete ich mich bei Syna, die ja Partnerin des Vertrags ist – und trat auch gleich bei.
Ich baute schnell Kontakt auf zu den Syna-Angestellten. Heute kann ich meinen Kolleginnen und Kollegen helfen, wenn sie Probleme bei der Arbeit haben. Ich verweise sie an die paritätische Kommission, wenn es um Arbeitsprobleme geht – oder an Syna, wenn man beim Arbeitgeber per Brief oder persönlich intervenieren muss. Mitglied bei Syna zu sein, bedeutet für mich, einen Partner zu haben, dem ich vertrauen kann. Es bedeutet auch Information. Und es bietet die Möglichkeit, gemeinsam Dinge zu verbessern.

Meine Arbeitsbedingungen 

Meine Arbeit als Hilfspfleger ist physisch und psychisch sehr anstrengend. Ich finde, das wird nicht genügend anerkannt. Die Löhne müssten unbedingt erhöht werden, damit wir davon in Würde leben könnten. Wichtig wäre auch ein besserer Schutz des Personals, die Coronakrise hat viele Missstände ans Licht gebracht. Anfangs hatten wir schlicht zu wenig Schutzmaterial. Wenn heute jemand ins Heim eintritt, wird die Person zuerst isoliert, um niemanden in Gefahr zu bringen. Wir Angestellten müssen uns derweil einfach mit der Schutzmaske begnügen…
Auch bei der Ausbildung bräuchte es mehr Anstrengungen. Viele der Hilfspflegerinnen und -pfleger haben wie ich den Rotkreuzkurs gemacht. Wir haben zwar regelmässig kurze Weiterbildungskurse. Doch das verunmöglicht es uns auch, eine vollständige, zertifizierte Ausbildung zu absolvieren. Nur diese gäbe uns aber die Möglichkeit, beruflich weiterzukommen und in der Gehaltsleiter aufzusteigen.

«Die Arbeit ist manchmal schwierig.
Menschlich bringt sie mir aber sehr viel.»

Achour

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