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Menschenhandel – in der Schweiz?!

Es ist wohl nur wenigen bewusst, dass Menschenhandel auch in der Schweiz existiert! Mehr über Arbeitsausbeutung als Begleiterscheinung der Personenfreizügigkeit.

Nicht nur junge Migrantinnen, die mit Gewalt zur Prostitution gezwungen werden, sind Opfer von Menschenhandel in der Schweiz:
Zunehmend werden auch Fälle von Arbeiterinnen und Arbeitern auf Baustellen, in privaten Haushalten oder in Restaurants bekannt, die mit falschen Versprechen in die Schweiz gelockt wurden, um hier als Arbeitskraft ausgebeutet zu werden. Ausländerinnen und Ausländer sind besonderen Risiken ausgesetzt, da ihnen die Aufenthaltserlaubnis entzogen, oder ihr ungeregelter Aufenthaltsstatus als Druckmittel benutzt werden kann. 

 «Schulden» abarbeiten

 Da ist zum Beispiel Kamal aus Bangladesch, der eine horrende Vermittlungsgebühr bezahlen musste und sich dabei bei den Schleppern verschuldete, um in der Schweiz im Service zu arbeiten. Der Lohn wurde ihm zur «Schuldentilgung» nicht ausbezahlt, seine Reisedokumente und das Rückfahrticket vom Chef abgenommen. Er arbeitet 15 Stunden täglich und schläft im Hinterzimmer des Restaurants.

Für Fabienne Reber der internationalen Organisation für Migration (IOM) ist klar: «Unsere eigenen stereotypen Vorstellungen über Opfer von Menschenhandel verhindern, dass wir die wahren Betroffenen überhaupt erkennen.»

Nationaler Aktionsplan

Seit 2012 hat die Schweiz einen nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel. Das Problem ist also von Behörden und Politik erkannt.
In 18 Kantonen finden zur Prävention und Strafverfolgung runde Tische statt, an denen sowohl die Untersuchungs- und Migrationsbehörden als auch Opferhilfestellen und Arbeitsinspektorate teilnehmen.
Ziel ist die Sensibilisierung von Kontrollstellen und Gesundheitsfachleuten, da diese in ihrer Tätigkeit mit Opfern von Menschenhandel in Kontakt kommen. Im Kanton Zürich beispielsweise werden die meisten Opfer von Arbeitsausbeutung auf Baustellen gefunden. In Genf hingegen melden sich bei den Beratungsstellen viele Frauen, die in privaten Haushalten als Putz- und Betreuungshilfen unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten.

Und was ist mit dem Arbeitnehmerschutz? 

Mit der Personenfreizügigkeit ist es ausländischen Firmen einfacher gemacht worden, ihre Dienstleistungen für kurze Zeit (bis 90 Tage) in der Schweiz anzubieten.
Damit die Arbeitnehmenden nicht ausgebeutet werden und das Schweizer Lohnniveau geschützt wird, sind die Flankierenden Massnahmen (FlaM) eingeführt worden. So muss sich das ausländische Unternehmen 8 Tage vor dem Arbeitseinsatz bei der kantonalen Stelle anmelden (sogenannte Meldepflicht). Diese Vorlaufzeit ermöglicht den Kontrollinstanzen, besonders risikoreiche Branchen und Arbeitszeitvereinbarungen zu kontrollieren. 

Es passiert überall 

Die langen Subunternehmer-Ketten, die im Baugewerbe üblich sind, verstärken die Intransparenz der Lohn- und Auftragssituation zusätzlich. Es ist deshalb unabdingbar, an der heutigen Ausgestaltung der FlaM festzuhalten.

Beim Besuch einer Grossbaustelle im Aargau fand Syna folgende Situation vor:
Gipser- und Malerarbeiten werden ausgeführt von einem Team mit 9 Arbeitern, allesamt Rumänen, mit auf 3 Monate befristeten Arbeitsverträgen (solche fallen nur unter die Melde-, nicht unter die Bewilligungspflicht).
Alle Arbeiter hoffen, durch ihr hohes Engagement und ihre Leistung einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu erhalten. – «Unser Lohn? Den erhalten wir bar auf die Hand.» – «Wo wir schlafen? In einem Zimmer zu dritt. Das ist doch gut, oder …?» 


Weitere Informationen
Selina Tribbia, Leiterin Fachstelle Gesellschaftspolitik

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