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Sein eigener Boss sein

Totale Freiheit oder voll der Stress? Rund 10% aller Erwerbstätigen in der Schweiz sind selbstständig tätig. Viele führen ein Einzelunternehmen unter ihrem Namen und in eigener Verantwortung. Einer davon ist Valentin (27).

Valentin ist ausgelernter Schreiner und seit vier Jahren selbstständig. Warum er manchmal bis zu 12 Stunden arbeitet und trotzdem motiviert bleibt, hat er uns im Gespräch verraten.

Wieso hast du dich für die Selbstständigkeit entschieden? 

Valentin: Ausschlaggebend war, dass ich zusammen mit zwei Freunden eine sehr günstige Werkstatt zur Zwischennutzung bekommen hatte. Damals konnten wir es uns nicht vorstellen, wieder in einer herkömmlichen Schreinerei zu arbeiten. Dort herrschen häufig enge hierarchische Strukturen, und es ist teils eine sehr männlich dominierte, raue Welt. Wir wollten unsere Arbeit selber organisieren, so wie uns es passt. Aber ich hätte niemals gedacht, dass es so schnell funktionieren würde.

Und wie organisiert ihr euch?

Wir sind ein Kollektiv aus 7 selbstständigen Einzelpersonen, das sich die Kosten für die Werkstattmiete und die Maschinen teilt. Alle holen sich ihre eigenen Aufträge rein. Und wer mal einen grösseren Auftrag hat, kann die anderen ganz einfach in einem Chat anfragen, wer mitarbeiten will. Das funktioniert sehr gut, weil es eine sehr flexible Struktur ist, die niemanden verpflichtet. Diese Freiheit empfinde ich als grossen Mehrwert.

Wie läuft es mit den Finanzen?

Die waren und sind schon immer wieder Thema. Die ersten 2 Jahre haben wir gar kein Geld verdient, weil wir keine Ahnung hatten, wie man Offerten berechnet. Das ist etwas, das du zuerst lernen musst.
Aber wir haben ein kleines finanzielles Risiko aufgrund der niedrigen Fixkosten, die wir uns teilen. Zudem gibt es genügend Aufträge für Schreiner; du kannst immer auf irgendwelchen Baustellen arbeiten. Mit der Zeit hast du auch dein berufliches Netzwerk. Mittlerweile ist es für uns die rentablere Variante, als angestellt zu sein.

Hast du dich auch schon mal überarbeitet? 

(Schmunzelt) Ja, das ist schon vorgekommen. Das Krasse ist echt, dass du dich selbstständig machst und denkst: «Geil, jetzt arbeite ich jeden Tag nur noch 4 Stunden.» Du merkst aber ziemlich schnell, dass das auf die Dauer finanziell nicht aufgeht. Meine Arbeitszeiten sind sehr phasenabhängig: Diesen Sommer wollte ich zum Beispiel geniessen, deshalb habe ich nicht viel gearbeitet. Dafür habe ich die letzten zwei Monate alle Aufträge angenommen, die mir angeboten wurden. So kommt es, dass ich auch mal einen 12-Stunden-Tag hinlege und Stress habe. Dieses Rauf und Runter ist manchmal schon sehr anstrengend. Aber schliesslich ist es auch meine freie Entscheidung.

Warst du schon mal länger krank? 

 Gerade dieses Jahr war ich 2 Monate lang krank. Eine Haftpflicht- und Unfallversicherung habe ich, aber keine Taggeldversicherung. Denn diejenige, die bezahlbar ist, gilt erst ab 60 Tagen. Das hätte in diesem Fall auch nichts gebracht.

 Kannst du dir vorstellen, dich jemals wieder anstellen zu lassen?

Ich habe mir das schon ein paarmal überlegt. Aber ich glaube, es ist wirklich sehr schwierig, sich wieder anstellen zu lassen, wenn man schon mal sein eigener Chef war. Vielleicht, wenn es eine super Anstellung wäre, in der ich Teilzeit arbeiten und die Arbeitszeiten selber einteilen könnte. Das ist ja immer mehr möglich …

Was denkst du: Werden sich in Zukunft alle Arbeitnehmenden selbstständig machen? 

Ich hoffe es! Ich glaube, es würde vielen gut tun. Denn es verändert das Verhältnis zur geleisteten Arbeit und den Bezug zum Geld. Als Angestellter führst du einfach aus, was dir vorgegeben wird. Wenn du selbstständig bist, machst du den ganzen Prozess von A bis Z durch. Dadurch steigen Bewusstsein und Verantwortungsgefühl für das, was du machst.
Mir liegt die Arbeit deshalb auch mehr am Herzen. Ich gebe mir mehr Mühe, eine geile Lösung zu finden, als wenn ich freelancen würde.


Weitere Informationen
Sabri Schumacher, Leiterin Fachstelle Jugend und Gleichstellung

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