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Verantwortung für Leib und Leben

Der Dienstleistungssektor wächst während seine Löhne fallen und der Arbeits- und Sozialschutz erodiert. Die Wohlstandsverteilung bewegt sich so immer weiter auseinander. Ein grosser Teil der Branchen, in denen sich diese prekären Bedingungen ausbreiten, sind die sozialen und Gesundheitsberufe.

Soziale und Gesundheitsberufe werden von vielen Arbeitnehmenden besonders für ihre Vielseitigkeit und den Kontakt mit Menschen geschätzt. Die Ansprüche sowohl an die formelle Ausbildung als auch die sozialen Kompetenzen sind hoch. Dennoch verdienen Pflegekräfte und Pharma-Assistent/-innen ein Vielfaches weniger als Arbeitnehmende in anderen Branchen. Obwohl sie denselben Schulabschluss in den Händen halten und die Anforderungen vergleichbar sind, ist schon der Einstiegslohn zum Zeitpunkt der Lehre um 20-50% niedriger.

Tiefe Wertigkeit

Soziale und Gesundheitsberufe sollen der Versorgung der Bevölkerung dienen. Trotzdem unterliegt insbesondere das Gesundheitswesen einer Profitlogik mit rigider Preispolitik. Die Folge dessen sind Tieflöhne und schlechte Arbeitsbedingungen, bei denen Fortschritte immer nur in Form von kleinsten Kompromissen gemacht werden. Warum ist das so? Weil erstens der Widerstand gegen diese Missstände bisher keine breite und laute gesellschaftliche Unterstützung gefunden hat. Und weil zweitens die Wertigkeit sozialer Berufe immer noch tief angesiedelt ist.

Dass eine Fachperson in der Langzeitpflege die Verantwortung für Leib und Leben übernimmt und dabei grosse körperliche und emotionale Belastungen auf sich nimmt, viel weniger verdient als ein Dachdecker, der dafür sorgt, dass wir in einem trockenen Zuhause leben können und dafür ebenfalls gesundheitliche Risiken eingeht, das ist nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die aktuellen Arbeitsbedingungen und Lohnniveaus in den sozialen und Gesundheitsberufen im klaren Widerspruch dazu stehen, wie stark wir alle auf diese Dienstleistungen angewiesen sind. Gerade die Pandemie hat gezeigt, welche zentrale Rolle diese Berufsgruppen für eine funktionierende Gesellschaft spielen.

Eine Frage der Gerechtigkeit

All dies ist deshalb eine Frage der Gerechtigkeit. Auf gesetzlicher Ebene wird auf die Lohngleichheit fokussiert, um gleiche Entlöhnung für gleiche Arbeit zu erreichen. Aber bis heute fehlt es auch an Lohngerechtigkeit. Branchen mit ähnlichen Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitnehmenden müssen gleichwertig entlohnt werden, um Gerechtigkeit herzustellen. Gleichzeitig muss eine Neubewertung der Wertschöpfung von sozialen und Gesundheitsberufen vorgenommen werden. Die Verantwortung für Menschenleben zu tragen, darf nicht mehr tiefer gewertet werden als die Übernahme finanzieller oder personeller Verantwortung.
Nur wenn wir für die Neubewertung der sozialen und Gesundheitsberufe kämpfen und Unterstützung für diese Anliegen in der breiteren Gesellschaft und von der Politik einfordern, werden wir voran kommen. Ich steh auf! Du auch?

Die neue Arbeiterklasse ist vornehmlich weiblich und arbeitet in der Dienstleistung. Ihre Arbeitsbedingungen sind oft prekär: Der Lohn ist tief, die Arbeitszeiten sind lang und der Druck steigt zunehmend. Dies kann sich nur ändern, wenn die Arbeitnehmerinnen aufstehen und sich für ihre Rechte einsetzen.
syna.ch/ich-steh-auf

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