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«Wenn wir alle zusammenhalten, kann uns nichts passieren!»

In ihrer noch kurzen beruflichen Laufbahn hat Aurore Schulz bereits viel Verschiedenes kennengelernt. Nach der KV-Lehre kam sie über die Tourismusbranche in die Hotellerie. Bei ihrer Arbeit vermisst sie vor allem Wertschätzung und Zusammenhalt. 

Am besten gefällt mir an meiner Arbeit der Kontakt mit den Menschen. Schon während der KV-Lehre bei der Post gefielen mir die Einsätze am Schalter, wo du täglich die unterschiedlichsten Menschen triffst, am meisten. Das Backoffice hingegen habe ich nie sonderlich gemocht. Deshalb hat es mich nach der Ausbildung auch in die Tourismusbranche verschlagen. Ich arbeitete bei einer grösseren Schweizer Firma als Guide, im Fabrikladen, im Bistro und an der Kasse. Diese grosse Abwechslung gefiel mir, und ich hatte Gelegenheit, im Austausch mit den Gästen meine Sprachkenntnisse einzusetzen. 

Manchmal trügt der Schein 

Leider waren aber die Arbeitsbedingungen weniger gut. Zum Beispiel durften wir uns während unserer ganzen neunstündigen Schicht abgesehen von den Pausen nie hinsetzen – auch nicht, wenn gar keine Gäste da waren. Das wirke unprofessionell, hiess es. Nicht einmal für meine schwangere Arbeitskollegin machten sie eine Ausnahme! Dazu kamen immer wieder Anschuldigungen und unangemessene Kritik. Einmal sagten sie mir sogar, ich würde zu selten lächeln. Das ist völlig absurd – ich lache fast immer. Doch das ist nur eines von vielen Beispielen. Positive Worte gab es kaum, sie drehten immer alles so, dass wir schlecht dastanden. Ich denke, das liegt auch daran, dass sie uns nicht mehr bezahlen wollten: Hatte man bei den Mitarbeiterbeurteilungen eine höhere Note als 3 – auf einer Skala von 1 bis 5 – dann verdiente man automatisch mehr. Das passierte aber eigentlich nie. 

Es ist schwer, allein zu kämpfen 

Ich fand das ungerecht und sagte das meinen Vorgesetzten auch. Doch die interessierten sich nicht wirklich dafür und reagierten überhaupt nicht darauf. Um das zu ändern, versuchte ich, meine Mitarbeitenden zu mobilisieren. Ich wollte sie dazu motivieren, dass wir uns gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen – oder notfalls auch streiken, wenn nichts passiert. Ich meine: Wenn wir alle zusammenhalten, kann uns nichts passieren! Doch die meisten hatten zu viel Angst, oder kannten vielleicht auch ihre Rechte nicht ausreichend. Das ist schade: Denn wenn deine Kolleginnen und Kollegen stillschweigend alles akzeptieren und du die einzige bist, die kämpfen will, dann ist es schwer, überzeugend zu sein.
Deshalb habe ich mich an die Gewerkschaft Syna gewandt. Sie hat sich dann für mich – oder besser: für uns – eingesetzt. Ich hatte mir alle Anschuldigungen und ungerechtfertigte Kritik jeweils notiert. Damit hatte Syna genügend Material, um sich an meinen damaligen Arbeitgeber zu wenden. Und sie erreichte schliesslich, dass zumindest die Arbeit auf Abruf beendet wurde. 

Fehlende Wertschätzung 
Heute arbeite ich als Rezeptionistin in einem Hotel und mache nebenbei die Passerelle zur Matura. Mit meiner jetzigen Chefin verstehe ich mich super. Ich weiss, dass sie sich für uns Angestellte einsetzt, wo sie kann. Aber als Teil einer grossen Kette hat sie kaum Spielraum, es wird alles weiter oben entschieden.

Ich mag meine Arbeit, auch wenn mich die Arbeitszeiten manchmal etwas stören. Im Hotel arbeiten wir eigentlich immer – egal ob am Wochenende, abends oder an Feiertagen. Trotzdem ist der Lohn in der Branche unglaublich: Selbst bei einem vollen Pensum käme ich auf keine 4000 Franken! Wenn wir normale Büroarbeitszeiten hätten, würde mich das nicht so stören. Aber so finde ich das sehr ungerecht. Ich denke, viele Menschen sehen gar nicht, was wir alles auf uns nehmen, damit sie in die Ferien fahren können und einen angenehmen Aufenthalt haben. Ich weiss, das gehört zum Beruf. Aber ich wünschte trotzdem, es würde etwas mehr gesehen und wertgeschätzt. 

Die neue Arbeiterklasse ist vornehmlich weiblich und arbeitet in der Dienstleistung. Ihre Arbeitsbedingungen sind oft prekär: Der Lohn ist tief, die Arbeitszeiten sind lang und der Druck steigt zunehmend. Dies kann sich nur ändern, wenn die Arbeitnehmerinnen aufstehen und sich für ihre Rechte einsetzen.

syna.ch/ich-steh-auf

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