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Wie weiter mit der AHV?

Am 3. März stehen mit der Renteninitative und der Initiative für eine 13. AHV-Rente gleich zwei Abstimmungen zur Altersvorsorge an. Edith Siegenthaler, Leiterin Sozialpolitik bei Travail.Suisse, nimmt zu beiden Vorlagen Stellung 

Edith, du bist Leiterin Sozialpolitik bei unserem Dachverband Travail.Suisse. Welche Themen fallen in deinen Bereich und wie oft beschäftigst du dich mit der Altersvorsorge?

Es fallen eigentlich alle Sozialversicherungen, sprich die IV, der Erwerbsersatz, die Familienzulagen und auch die Altersvorsorge, in meinen Verantwortungsbereich. Einzig die Arbeitslosenversicherung fällt in die Sparte Wirtschaftspolitik. Aktuell liegt der Schwerpunkt sicherlich bei der Altersvorsorge. Im letzten Jahr lancierten wir erfolgreich das Referendum gegen die BVG-Reform und jetzt stehen am 3. März zwei AHV-Vorlagen zur Abstimmung an. Auch danach wird die Altersvorsoge einen grossen Teil meiner Arbeit einnehmen. Noch dieses Jahr werden wir über die BVG-Reform abstimmen und bis Ende 2026 muss der Bundesrat einen neuen AHV-Reformvorschlag präsentieren. 

Du hast es bereits angedeutet, die beiden Abstimmungen über die Renteninitiative und die Initiative für eine 13. AHV-Rente stehen an. Welches ist die wichtigere?

Beide sind wichtig. Viele Menschen könnten eine 13. AHV-Rente sehr gut gebrauchen. Wir haben viele Rentnerinnen und Rentner mit tiefen Renten. Für diese wäre ein bisschen mehr Geld im Portemonnaie enorm wichtig. Die Renteninitiative wiederrum fordert, dass das Rentenalter auf 66 Jahre erhöht und danach automatisch mit der Lebenserwartung erhöht wird. Das Initiativkomitee rechnet damit, dass 2050 das Rentenalter bei 67 Jahren und 7 Monaten wäre! Erst vor kurzem wurde das Rentenalter der Frauen auf 65 angehoben. Eine weitere Erhöhung müssen wir verhindern.

Je älter wir werden, desto länger sollen wir arbeiten. Mit der Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung will die Initiative die Finanzierung der AHV langfristig sichern. Klingt auf den ersten Blick vernünftig?

Auf den ersten Blick klingt das tatsächlich so. Doch der Lösungsansatz der Renteninitiative ist extrem unsolidarisch. Rentenaltererhöhungen treffen Arbeitnehmende mit Lehrabschluss weit stärker als Akademikerinnen und Akademiker. Ein Schreiner lebt in der Schweiz im Durchschnitt drei Jahre weniger lang als ein Professor. Gleichzeitig ist auch der Gesundheitszustand im Alter stark vom Bildungsabschluss abhängig. Ein Professor wird im Durchschnitt 8,8 Jahre länger gesund sein im Ruhestand als ein Schreiner. Ein gesundes Jahr weniger im Ruhestand trifft den Schreiner also deutlich stärker als den Professor. Zumal es in manchen Berufen schlicht und einfach körperlich nicht möglich ist, noch länger zu arbeiten. 

Einige dieser körperlich anstrengenden Berufe haben Frühpensionierungsmodelle, beispielsweise das Bauhauptgewerbe oder das Baunebengewerbe in der Romandie. Welche Auswirkungen hätte eine Rentenaltererhöhung für die Arbeitnehmenden dieser Branchen?

Die Renteninitiative gefährdet diese wichtigen Frühpensionierungsmodelle. Heute kann in diesen Branchen dank höheren Berufsbeiträgen eine Art Überbrückungsrente ausbezahlt werden, bis die allgemeine AHV greift. Wenn nun das Rentenalter erhöht wird, verlängert sich diese Überbrückungsperiode. Das bedeutet, dass bei gleichbleibenden Beiträgen die Renten sinken würden. Gleich hohe Renten könnten nur finanziert werden, wenn man die Lohnabzüge erhöhen oder das Rentenalter anheben würde. Für den Bau bedeutet die Initiative also entweder länger arbeiten oder mehr bezahlen oder tiefere Renten. 

Die zweite Initiative verlangt die Einführung einer 13. AHV-Rente, analog zum 13. Monatslohn. Ist diese zusätzliche Rente notwendig?

Ja, davon bin ich überzeugt. Eigentlich sollte die AHV existenzsichernd sein. Das ist aktuell nicht der Fall und viele Versicherte sind auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Dies zeigt deutlich, dass die AHV-Renten aktuell zu tief sind. Wichtig ist aber hervorzuheben, dass Personen, die zurzeit Ergänzungsleistungen erhalten, diese auch bei Annahme weiterhin im gleichen Umfang erhalten werden. Auch wegen der Teuerung ist eine 13. AHVRente für viele wichtiger denn je. Die AHV wird nur zu einem Teil an die Teuerung angepasst. Steigen die Löhne weniger stark als die Teuerung, so steigen auch die AHV-Renten weniger stark. Genau eine solche Situation haben wir zurzeit. Die AHV-Renten steigen weniger stark als die Teuerung und die Rentnerinnen und Rentner können sich weniger leisten als im Vorjahr.

Manche kritisieren das Giesskannenprinzip, denn auch Personen, die eine 13. AHV-Rente finanziell gar nicht nötig hätten, erhalten eine. Ist das nicht problematisch?

Altbundesrat Hans-Peter Tschudi hat mal treffend gesagt, «die Millionäre brauchen die AHV nicht, aber die AHV braucht die Millionäre ». Über die AHV findet eine relativ grosse Umverteilung statt. Der prozentuale Lohnbeitrag an die AHV ist für alle gleich und nach oben offen. Die Renten hingegen sind auf das maximal doppelte der Minimalrente gedeckelt. Verdient jemand zehnmal mehr, zahlt er auch zehnmal mehr in die AHV ein. Seine Rente ist jedoch maximal doppelt so hoch. 92 Prozent der Versicherten erhalten über die AHV-Renten mehr als sie einbezahlt haben. Einzig die 8 Prozent der höchsten Einkommen erhalten weniger. Dass alle gemeinsam in der AHV versichert sind, macht die AHV so erfolgreich und an diesem solidarischen Prinzip sollten wir festhalten. 

Die höheren Ausgaben, die eine 13. AHV-Rente mit sich bringt, betragen rund 4 Milliarden. Die Initiative lässt die Art der Finanzierung offen. Müssen wir also bei einer Annahme mit höheren Lohnabzügen rechnen?

Das Parlament wird bei einer Annahme der Initiative die Finanzierung ausarbeiten. Das könnte über die Lohnbeiträge geschehen, aber auch über neue Finanzierungsmöglichkeiten, wie beispielsweise über eine Steuer auf hohen Erbschaften oder auf Finanztransaktionen. Doch selbst wenn sich das Parlament für eine reine Finanzierung aus den Lohnbeiträgen entscheidet, bleibt der Anteil der Arbeitnehmenden, welcher mehr aus der AHV erhält als einbezahlt, bei 92%. Darum: Stärken wir die solidarische erste Säule und sagen JA zur 13. AHV-Rente und NEIN zur Renteninitiative.

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