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Altersvorsorge 2020: Was bedeutet die Reform für mich?

Am 24. September stimmt die Schweiz über die Reform der Altersvorsorge 2020 ab. Was will die Reform erreichen, und wie? Und vor allem: Was bedeutet die Reform für meine Rente? Travail.Suisse beantwortet diese und weitere Fragen. 

Die Reform der Altersvorsorge (AV2020) hat ein klares Ziel: Die Höhe der Renten soll erhalten bleiben, die AHV-Finanzen sollen stabilisiert und die Altersvorsorge an die Anforderungen der heutigen Zeit angepasst werden – und das alles trotz älter werdender Bevölkerung und tiefer Zinsen.

Die Massnahmen
Die Reform will ihre Ziele mit einem Bündel von Massnahmen erreichen:

  • Flexibles Rentenalter: Es gilt für Personen zwischen 62 und 70 in AHV und Pensionskasse. Eine volle Rente gibt es für Frauen und Männer mit 65 Jahren. Das Rentenalter für Frauen wird ab 2018 in vier Schritten auf 65 angehoben. Neu möglich ist die Teilpensionierung, beispielsweise 50 Prozent bereits mit 63 und den Rest mit 65 oder 67 Jahren.
  • Tieferer Mindestumwandlungssatz: Der Satz für den gesetzlichen Teil der Pensionskassenrente wird zwischen 2019 und 2022 in vier Schritten von 6,8 auf 6,0 Prozent gesenkt. Das heisst: 100 000 Franken Altersguthaben ergeben neu eine jährliche Rente von 6000 anstelle von 6800 Franken. Die Senkung des Umwandlungssatzes betrifft rund 15 Prozent der Versicherten, nämlich diejenigen, deren Pensionskasse nur das gesetzliche Minimum versichert.
  • Ausgleich bei der Pensionskasse: Damit es nicht zu tieferen Renten kommt, gibt es Ausgleichsmassnahmen bei der Pensionskasse: Es wird ein grösserer Teil des Lohns versichert (tieferer Koordinationsabzug), und auf dem Lohn gibt es höhere Altersgutschriften. Daraus resultiert bei Teilzeitarbeit und tiefen Einkommen eine höhere Rente als heute. Ab Jahrgang 1973 und älter gibt es zudem Zuschüsse der Stiftung Sicherheitsfonds, falls trotz genannter Massnahmen eine tiefere Pensionskassenrente droht (Rentengarantie für die Übergangsgeneration). Diese Ausgleichsmassnahmen kosten Arbeitnehmende und Arbeitgeber im Durchschnitt je 0,2 Lohnprozente.
  • AHV-Zuschlag: Einen weiteren Ausgleich gibt es in der AHV. Alle neuen Rentnerinnen und Rentner erhalten einen AHV-Zuschlag von 70 Franken pro Monat. Zudem wird die Obergrenze der AHV-Rente für Ehepaare erhöht (Deplafonierung). Zusammen ergibt das für Ehepaare eine bis zu 226 Franken höhere AHV-Rente. Mit den AHV-Ausgleichsmassnahmen können Rentensenkungen auch für jüngere Versicherte und für Frauen, die weiterhin mit 64 pensioniert werden, verhindert werden. Für Personen ohne Pensionskasse – unter anderem über 500 000 Frauen – bringen diese Massnahmen eine Rentenverbesserung. Sie kosten Arbeitnehmende und Arbeitgeber je 0,15 Lohnprozente.

Was passiert mit meiner Rente?
Diese Frage lässt sich nicht individuell beantworten. Deshalb einige fiktive Beispiele:

  1. Luise Gerber ist 39-jährig und Angestellte im Detailhandel. Ihr jährliches Einkommen liegt bei 40 000 Franken*. Sie profitiert vom AHV-Zuschlag, von der besseren Versicherung von tiefen Einkommen und von Teilzeitarbeit sowie von den höheren Altersgutschriften bei der Pensionskasse. Jährliche Veränderung Gesamtrente gegenüber heute: + 2608 Franken.
  2. Anna Steiner ist 49-jährig und medizinische Praxisassistentin. Ihr jährliches Einkommen liegt bei 55 000 Franken*. Sie profitiert vom AHV-Zuschlag und von der besseren Versicherung bei der Pensionskasse. Jährliche Veränderung Gesamtrente gegenüber heute: + 1211 Franken.
  3. Marcel Schmid ist 59-jährig und Schreiner. Sein jährliches Einkommen liegt bei 70 000 Franken*. Dank der Senkung des Koordinationsabzugs und weil er in der Übergangsgeneration Zuschüsse vom Sicherheitsfonds BVG erhält, sinkt seine Pensionskassenrente nicht. Zudem profitiert er vom AHV-Zuschlag. Jährliche Veränderung Gesamtrente gegenüber heute: + 840 Franken.

* Annahmen: fixes Einkommen, unverheiratet und Pensionierung mit 65.


Antworten auf 3 wichtige Fragen

Was bedeutet die Reform für mich, wenn ich schon Rente beziehe?

Wer heute eine Rente bezieht, ist von der Reform nicht betroffen. Die Umwandlungssätze für bisherige Rentnerinnen und Rentner werden nicht gesenkt, an ihrer Rente ändert sich nichts. Deshalb gibt es auch keine Kompensation über die AHV. Rentnerinnen und Rentner beteiligen sich einzig an der Zusatzfinanzierung der AHV über die Mehrwertsteuer. Im Gegenzug profitieren sie unmittelbar von einer vollen AHV-Kasse: Die Renten werden alle zwei Jahre der Lohn- und Teuerungsentwicklung angepasst.

Was passiert, wenn meine Pensionskasse schon heute einen tieferen Umwandlungssatz hat?

Die Reform betrifft nur den gesetzlich geregelten Teil der Pensionskassen-Leistungen, das sogenannte Obligatorium. Nur wenige Arbeitnehmende sind in einer Pensionskasse versichert, die ausschliesslich dieses gesetzliche Minimum versichert. Nur sie sind betroffen. Die meisten Arbeitnehmenden sind in Pensionskassen
versichert, die auch gesetzlich nicht vorgeschriebene Leistungen bieten. Sie können die Umwandlungssätze innerhalb einer Limite frei festlegen. Die meisten dieser
Kassen haben schon längst Umwandlungssätze deutlich unter 6,8 Prozent. Eine Änderung des gesetzlichen Mindestumwandlungssatzes hat für die Mehrheit der Arbeitnehmenden keine Auswirkung.

Was passiert, wenn ich als Frau trotz der Reform mit 64 in Pension gehe?

Die AHV-Rente wird gekürzt, neu allerdings nur noch um 4,1 Prozent. Im Gegenzug gibt es den AHV-Zuschlag von 70 Franken, der die Kürzung ausgleicht. Frauen, die ein tiefes Einkommen hatten, können somit weiterhin mit 64 ohne finanzielle Einbusse die AHV-Rente beziehen. Das ist bei rund der Hälfte der Frauen der Fall. Bei der Pensionskasse ist vorgesehen, dass Frauen auch mit Pensionsalter 64 ihre bisherige Rente garantiert erhalten. Der Bundesrat muss dies aber noch bestätigen.


Arno Kerst und Carole Furrer im Gespräch

Zwei Ansichten zur Altersvorsorge 2020: Syna-Präsident Arno Kerst sprach mit Carole Furrer, Präsidentin Syndicats chrétiens du Valais (SCIV), deren Mitglieder auf nationaler Ebene von Syna vertreten werden.

Arno Kerst: Schon am Kongress 2014 zeigte sich Syna offen für die notwendige Reform der Altersvorsorge. Die jetzt vorliegende Lösung ist ein Kompromiss, der die meisten unserer Forderungen erfüllt und dabei das Rentenniveau erhält. Allerdings bezahlen die Frauen mit dem Rentenalter 65 den höchsten Preis. Stimmst du der Reform dennoch zu?

Carole Furrer: Ich unterstütze die Reform bedingungslos – als Frau und als SCIV-Präsidentin. Sie sichert einerseits die Finanzierung von Pensionskassen und AHV, andererseits wird das Rentenniveau erhalten oder gar verbessert. Die Erhöhung des Rentenalters für Frauen ist allerdings nur deshalb akzeptabel, weil es entsprechende Ausgleichsmassnahmen gibt. Von den Verbesserungen für Teilzeitarbeitende werden vor allem wir Frauen profitieren, und der AHV-Zuschlag von monatlich 70 Franken bedeutet auch für viele Frauen eine Verbesserung.

Die Besserstellung der Teilzeitarbeitenden oder auch die Rentengarantie für ältere Arbeitslose sind ja gerade aus gewerkschaftlicher Sicht sehr wichtig. Es scheint aber, dass innerhalb der Gewerkschaften in der Romandie kontroverser diskutiert wird als in der Deutschschweiz. Wie nimmst du das wahr?

Die Befindlichkeit ist nicht immer dieselbe, das stimmt. Letztlich geht es aber bei der Diskussion zwischen den beiden Regionen um minime Unterschiede. Diese Reform nimmt genau unsere gewerkschaftlichen Forderungen auf. Und vor allem sichert sie die Altervorsorge bei garantierten Renten, das ist das Wichtigste.

Wenn man die intensiven Diskussionen und das knappe Resultat im Parlament beobachtet hat, muss man wohl sagen: Entweder diese Reform oder keine. Welche Gefahren siehst du, wenn die Reform abgelehnt wird?

Wenn das Volk die Reform ablehnt, dann haben wir nichts – weder garantierte Pensionskassenrenten noch den AHV-Zuschlag. Der finanzielle Druck auf die Altersvorsorge würde steigen. Und bei einer nächsten Revision, die unweigerlich kommen müsste, würde dann wohl das Rentenalter 67 für alle zum Thema.

Carole Furrer,
Präsidentin Syndicats chrétiens du Valais (SCIV)

Arno Kerst,
Präsident Syna

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