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Eine Reform am Volk vorbei

Syna-Präsidentin und ehemalige Nationalrätin Yvonne Feri erklärt, warum die derzeitige BVG-Reform keine adäquate Lösung darstellt und skizziert, wie eine Reform zugunsten der breiten Bevölkerung aussehen sollte.

Syna hat gemeinsam mit politischen Partnern erfolgreich das Referendum gegen die BVG-Reform ergriffen. Neben Gewerkschaften und linken Parteien beteiligten sich auch Konsumentenorganisationen daran. Was hat dazu beigetragen, dass dieses Bündnis so breit aufgestellt war?

Zu Beginn der Reformarbeiten war für die Sozialpartner klar, dass ein breiter Kompromiss zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretungen erreicht werden sollte. Dieser Kompromiss wurde auch gefunden, jedoch später vom Parlament so stark verändert, dass er für die Mehrheit der Arbeitnehmenden keine akzeptable Lösung mehr darstellt. Aus einer breit abgestützten Reform ist ein einseitiges Projekt geworden. Daher stellt sich nun eine breite Allianz von Organisationen, die ursprünglich für die gemeinsam erarbeitete Kompromisslösung gekämpft hatte, geschlossen gegen die Reform.

Was sah die ursprüngliche Reform vor?

Sie basierte auf folgenden Eckpunkten: Es sollten der rentenbildenden Umwandlungssatz gesenkt, das Rentenniveau im Obligatorium garantiert und die Rentenabsicherung für Personen mit niedrigem Einkommen sowie für Teilzeitbeschäftigte verbessert werden. Gleichzeitig sollte das BVG modernisiert werden, wobei verschiedene Interessen berücksichtigt werden. Leider sind wir von diesen Zielen nun weit entfernt.

Die Senkung des Umwandlungssatzes ist auch bei der jetzigen Reform ein zentrales Element. Welche Konsequenzen hätte diese?

Eine Senkung des Umwandlungssatzes auf dem obligatorischen Teil bedeutet eine Kürzung der Renten. Dies ist besonders bei den tieferen Einkommen spürbar. Im überobligatorischen Teil spielt es nicht so eine grosse Rolle, da dort die Umwandlungssätze bereits auf einem tieferen Niveau stagnieren. Im ursprünglichen Kompromiss erhielten die tiefen Einkommen Kompensationszahlungen auf ihre Renten, welche die Senkung des Umwandlungssatzes auffangen sollten. Diese fallen in der jetzigen Reform geringer aus. Doch man kann sich grundsätzlich fragen, ob und wie stark der Umwandlungssatz überhaupt gesenkt werden müsste, denn die wirtschaftliche Lage der Pensionskassen ist so gut wie nie.

Die Befürworter argumentieren, dass besonders Teilzeitarbeitende durch die Reform besser abgesichert wären. Zum Beispiel führt der neu prozentuale Koordinationsabzug dazu, dass niedrige Einkommen besser versichert sind. Ist das nicht eine gute Sache?

Es ist korrekt, dass wir lange dafür gekämpft haben, Personen mit niedrigem Einkommen und Teilzeitarbeitende in die Pensionskassen einzubeziehen. Vorher waren aufgrund des hohen Koordinationsabzuges Einkommen unter 22 050 Franken nicht BVG-versichert. Der prozentuale Ansatz ermöglicht zwar, dass auch diese niedrigeren Einkommen in die Pensionskasse einzahlen können. Doch sind damit hohe Lohnabzüge verbunden.

Die Reform bedeutet für Personen mit tiefen Einkommen, dass sie von einem niedrigen Lohn hohe Abzüge leisten müssen und später nur eine geringe Rente erhalten. Ist das eine gute Sache? Wir glauben nicht.

Die liberale Frauenorganisation Alliance F unterstützt die Reform, während sich die Frauen auf Gewerkschaftsseite gegen die Reform aussprechen. Was sind die Gründe für diese unterschiedlichen Standpunkte?

Alliance F gewichtet die kleinen Anpassungen beim Koordinationsabzug und Einstiegslohn sehr hoch. Die Gewerkschaften und andere Organisationen schauen das ganze Bild an. Dabei wird deutlich, dass nur wenige von der Reform profitieren werden, während viele zu den Verlierern gehören – sei es durch hohe Lohnabzüge, niedrigere Renten, Stillstand oder weiterhin keine Pensionskassenabdeckung. Echte Verbesserungen für Personen in Teilzeit- und Niedriglohnbereichen, in denen viele Frauen arbeiten, würden anders aussehen.

Der Reformbedarf ist unbestritten. Was passiert, wenn diese Rentenreform vom Volk abgelehnt wird? Wie lange müssen wir auf eine neue Lösung warten?

Bei einer Ablehnung werden Bundesrat und Parlament möglichst bald eine neue Reformvorlage erarbeiten müssen. Sie wären gut beraten, sich an den ursprünglich erarbeiteten Kompromiss der Sozialpartner zu halten. Ohne grossen Zeitdruck dauert das rund drei Jahre.

Wie könnte eine zukünftige Reform der 2. Säule gestaltet werden, um die finanzielle Sicherheit von Frauen in der Altersvorsorge zu verbessern und ihre unbezahlte Care-Arbeit angemessen anzuerkennen?

Es braucht Lösungen für familienbedingte Erwerbsunterbrüche, Teilzeitarbeit und Mehrfachbeschäftigte. Eine neue Reform darf nicht bedeuten, dass die Arbeitnehmenden in der Mehrzahl mehr Lohnabzüge verkraften müssen und im Gegenzug damit keine (oder kaum) höhere Renten erzielen. Es braucht eine Eintrittsschwelle und einen Koordinationsabzug, welche auch sehr tiefe Einkommen berücksichtigen. Es braucht einen Umwandlungssatz, der ein existenzsicherndes Rentenniveau im Obligatorium garantiert, und Vorschriften für die Pensionskassen, damit die Verwaltungskosten nicht steigen und so den Versicherten zusätzliche Spargelder entzogen werden.

Das Ziel sollte sein, das Rentenniveau zu halten oder zu erhöhen und möglichst viele Arbeitnehmende in der BVG zu versichern. All diese Punkte werden von der aktuellen Reform entweder gar nicht oder nur unzureichend erfüllt. Der ursprüngliche Kompromiss der Sozialpartner zeigt, dass eine breit abgestützte Lösung möglich ist.

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