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LMV-Verhandlungen: Grosse Differenzen bezüglich Belastung und Planbarkeit

Die Verhandlungsleitung auf Arbeitgeberseite zeigt sich zuversichtlich, dass es Ende Jahr eine Einigung für einen neuen LMV gibt. Das ist grundsätzlich erfreulich und eine andere Botschaft als noch im vergangenen Herbst, als der SBV schon vor dem Start der Verhandlungen mit einem vertragslosen Zustand drohte. Zur Erinnerung: Der SBV unterlegte vor einem halben Jahr seine Argumentation mit einer Studie, die in zentralen Punkten auf einem Grundlagenirrtum beruhte. Ein offener Brief an die Arbeitgeberseite.

Grosse Differenzen bezüglich Belastung und Planbarkeit

Die Realität ist: Es gibt auf einer generellen Ebene tatsächlich zahlreiche gemeinsame Interessen. Das ist auch nachvollziehbar, sonst hätten die Arbeitgeber und die Gewerkschaften nicht seit mehr als 80 Jahren zusammen einen Gesamtarbeitsvertrag.

In der konkreten Ausgestaltung gibt es aber grosse Differenzen. Die wurden in den bisherigen Verhandlungen dieses Jahr immer wieder deutlich. Ein zentraler Diskussionspunkt ist die Ausgestaltung der Arbeitszeit.

Aus Sicht der Bauarbeiter ist heute – besonders im Sommer und angesichts der steigenden Reisezeiten, die bekanntlich nicht zur Arbeitszeit gezählt werden – die Belastungsgrenze überschritten. Darum braucht es eine Begrenzung der maximalen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit inklusive Reisezeit. Rechtlich ist klar, dass die Reisezeit bezahlt werden muss. Dies würde den LMV auch vereinfachen und dazu beitragen, dass Baufirmen nicht immer weiter reisen (müssen). Ein weiteres Problem ist vor allem bei den qualifizierten Bauarbeitern, Vorarbeitern und Polieren die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dort ist insbesondere die Planbarkeit der Arbeitszeiten bereits heute ein Problem.

Die vom Baumeisterverband in den Verhandlungen geäusserten Vorstellungen gehen allerdings in die gegenteilige Richtung und würden die Planbarkeit weitgehend abschaffen. Nach Vorstellungen des Baumeisterverbandes soll es gar keinen Arbeitskalender mehr geben, nur noch eine vereinbarte Jahresarbeitszeit und die gesetzlichen Limiten. Die zentrale Frage ist dann: Wer entscheidet, wann und wie viel gearbeitet wird?

Wenn die Bauarbeiter im Rahmen der Jahresarbeitszeit alleine entscheiden können, wann sie arbeiten kommen, dann wäre das aus Arbeitnehmersicht durchaus attraktiv. Nur lässt sich dann keine Baustelle mehr organisieren, wenn der Kranführer um 15 Uhr sagt, er geht nach Hause und der Polier meint, er komme am Freitag nicht. Mit einer von den Arbeitnehmern selbst eingeteilten Arbeitszeit können die Firmen nicht leben. Umgekehrt funktioniert es genauso wenig: Wenn der Arbeitgeber ohne Rahmenbedingungen spontan festlegen kann, dass der Arbeitnehmer an einem Tag fünf Stunden arbeitet, dann elf Stunden, dann einen Tag gar nicht – so kann kein Bauarbeiter seine Familie und sein privates Leben organisieren. Der Beruf würde noch mehr an Attraktivität verlieren und der Fachkräftemangel würde sich verschärfen.

Daher: Es braucht im Interesse der Firmen und der Bauarbeiter im LMV weiterhin eine Arbeitszeitregelung und einen Arbeitszeitkalender. Bis jetzt hat die Verhandlungsdelegation des SBV noch nicht dargelegt, wo die konkreten Probleme bei der heutigen Regelung liegen. Die Gewerkschaften haben verschiedene Vorschläge unterbreitet, die zum Beispiel auch Minusstunden zulassen würden (statt 0 – 100 Mehrstunden wären zum Beispiel -40 bis +60 Stunden möglich). Notwendig wäre aber, dass der SBV darlegt, wo aktuell die Probleme liegen und nicht lediglich die ideologische Position vertritt, dass ein Arbeitszeitkalender schlecht sei.

Grober Unfug mit der Lohnstatistik

Am Montag 23. Mai teilte der SBV per Medienmitteilung mit, dass «die Löhne des Baustellenpersonals gegenüber dem Vorjahr um 1,5% gestiegen sind» (hier oder hier). Das Problem ist: Diese Aussage ist schlicht falsch. Wenn man die Medienmitteilung im Detail liest, ist das auf den ersten Blick ersichtlich:

Der SBV weist folgende Lohnsteigerung für die einzelnen Lohnklassen aus:

In keiner der LMV-Lohnklassen ist die Erhöhung innerhalb der Klasse höher als 0,8% (Lohnklasse C). Wie kann es dann sein, dass die Erhöhung im Durchschnitt aller Klassen 1,5% beträgt?

Der Grund ist einfach: 2021 wurde die Lohnstatistik Ende Juli gemacht, 2022 Ende Februar. Die Zusammensetzung des Baustellenpersonals ist im Sommer und Winter unterschiedlich. Da im Winter die Zahl der Angestellten in der Lohnklasse C tiefer ist und daher die Lohnklassen Q und A stärker gewichten, steigt der Durchschnittslohn. Das ist aber ein rein statistischer Effekt, der nichts mit einer Lohnerhöhung zu tun hat.
Aufgrund der Angaben des SBV liegt die Erhöhung für die einzelnen Bauarbeiter im Schnitt vermutlich um die 0,6%. Dies entspricht ziemlich genau der Jahresteuerung von 2021. Die vom SBV behauptete Lohnerhöhung von 1,5% hat nichts mit der Realität zu tun. Es gibt zwei mögliche Erklärungen: Entweder fehlen dem SBV elementare Grundkenntnisse der Statistik oder Fehlinformationen werden vorsätzlich verbreitet. Beides wäre nicht gut.

Wir hoffen weiterhin auf faktenbasierte und konstruktive Diskussionen und auch auf ein positives Verhandlungsergebnis für einen neuen LMV. Im Moment sind wir davon aber noch ein ziemliches Stück weit entfernt.



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