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«Es ist der Lohn, der beschämend ist!»

Suely Ludovica Alves arbeitet seit ihrer Ankunft in der Schweiz 1999 als Reinigungskraft. Bei ihrer Arbeit hat die 60-jährige brasilianisch-portugiesische Doppelbürgerin leider nicht nur gute Erfahrungen gemacht. 

Meine erste Anstellung in der Reinigung hatte ich kurz nach meiner Einreise in die Schweiz. Ich wollte einfach arbeiten – egal was – um meine Kinder in Brasilien zu unterstützen. Allerdings hatte mein Chef etwas gegen Brasilianerinnen. Einmal kam er vorbei, um ein Foto von mir zu machen für den Personalausweis. Er verlangte, dass wir das Foto auf dem WC machen. Ich sagte, ich würde lieber vor einer neutralen Wand fotografiert werden. Doch er erwiderte: «Man soll schliesslich auf dem Bild sehen, dass du WCs putzst!» Er wollte mich einfach nur schikanieren. 

Recht bekommen 

Meine Arbeitszeit dauerte jeweils von 9 Uhr bis 14.30 Uhr. Irgendwann merkte ich, dass sie mir nicht alle Stunden auszahlten, sondern nur die Zeit von 9 bis 11 Uhr! Zum Glück hatte ich meine Arbeitszeit immer aufgeschrieben. Ich fragte meine Arbeitskollegen, ob ihnen auch Stunden fehlten in der Abrechnung. Und tatsächlich war es bei einigen der Fall. Doch die meisten wollten sich nicht wehren. Sie hatten Angst und waren froh, überhaupt Geld zu bekommen.
Ich bat eine private Kollegin um Hilfe, die gut deutsch sprach. Sie begleitete mich zum Chef, um den fehlenden Lohn einzufordern. Zunächst behauptete er einfach, meine Lohnabrechnung sei schon richtig. Doch als meine Kollegin das Anwaltsbüro erwähnte, für das sie arbeitete, lenkte er plötzlich ein ... Mir wurden sämtliche Stunden nachgezahlt – 334 Franken! Und nicht nur mir, sondern auch den anderen, die bereit gewesen waren, zu reklamieren. 

Fehler im System 

Heute arbeite ich für ein Reinigungsinstitut, dort gefällt es mir. Eigentlich mache ich die Arbeit gerne, denn in der Reinigung hast du eine gewisse Freiheit, kannst selbstständig arbeiten. Ich habe gemeinsam mit einer Kollegin die Verantwortung für das Objekt, das ich reinige. Ich weiss aber, dass die Arbeitsbedingungen nicht überall gut sind.
Es ist das System, das falsch ist: In den grossen Reinigungsinstituten gibt es sogenannte Objektleiter/-innen. Das sind Leute aus dem Team, welche die genau gleichen Qualifikationen haben wie du. Plötzlich werden sie zu Chefs ernannt, das steigt vielen zu Kopf. Sie behandeln dann ihr Team schlecht und zwingen sie zu Überstunden. Du bist ihnen ausgeliefert, denn sie schreiben Berichte an die Leitung. Darin können sie behaupten, was sie wollen, auch wenn es gar nicht stimmt. 

Kampf für einen gerechten Lohn 

Ein anderes Problem: Es werden laufend neue Leute zu sehr tiefen Löhnen eingestellt. Diese verdrängen die älteren, die schon länger angestellt sind und mehr verdienen. Die Neuen akzeptieren die tiefen Löhne. Sie sind froh, überhaupt Arbeit zu erhalten. Generell ist der Lohn viel zu tief in der Branche. Gerade bei Reinigungsunternehmen verdient man teilweise weniger als 20 Franken in der Stunde. Würde ich privat putzen, würde ich mehr verdienen. Das ist doch verkehrt! Viele schämen sich dafür, dass sie putzen. Aber das ist falsch! Es ist der Lohn, der beschämend ist! Wir leisten genauso wichtige Arbeit wie alle anderen. Dafür verdienen wir Respekt. Und einen gerechten Lohn – dafür kämpft Syna gemeinsam mit uns. 

Hilfe bei der Spezialistin
Auch deshalb bin ich Syna-Mitglied, mittlerweile seit 5 Jahren. Frauen überall auf der Welt werden bestraft: Wir arbeiten nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch noch zuhause – gratis. Es ist wichtig, dass Syna gegen diese Ungerechtigkeit vorgeht.

Mit der Gewerkschaft hast du zudem eine Organisation, die dich unterstützt. Ich sage anderen Frauen: Wehr dich, wenn du Probleme bei der Arbeit hast. Such dir Hilfe bei Syna! Wenn du krank bist, gehst du ja auch zum Arzt. Und fürs Arbeitsrecht ist die Gewerkschaft die Spezialistin. 

Die neue Arbeiterklasse ist vornehmlich weiblich und arbeitet in der Dienstleistung. Ihre Arbeitsbedingungen sind oft prekär: Der Lohn ist tief, die Arbeitszeiten sind lang und der Druck steigt zunehmend. Dies kann sich nur ändern, wenn die Arbeitnehmerinnen aufstehen und sich für ihre Rechte einsetzen.

syna.ch/ich-steh-auf

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