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«Vorher waren wir ja nur Füdliputzer»

 Sarah* arbeitet als Pflegeassistentin in einem Alterszentrum im Kanton Basel-Stadt. Sie erzählt uns von ihrem Arbeitsalltag – auch während der Coronakrise.

Sarah* heisst eigentlich anders, möchte aber ihren richtigen Namen nicht öffentlich nennen.

Hallo Sarah. Danke, dass wir dir ein paar Fragen stellen dürfen. Zuerst: Warum möchtest du anonym bleiben? 

Sarah: Wenn man sich öffentlich kritisch gibt, hat dies Konsequenzen, das kann bis zu einer Kündigung gehen. Mobbing ist auch ein Thema! Ich habe selbst beobachtet, wie Mitarbeitende gemobbt wurden, weil sie in ihrer Kultur oder in ihrem Menschenbild nicht akzeptiert wurden. Die eigene Meinung direkt auszusprechen, ist tabu. Oftmals sind die Führungskräfte zu wenig sensibilisiert oder fördern noch zusätzlich eine negative Arbeitsmoral.

Das ist sehr beunruhigend. Umso mehr schätzen wir es, dass du deine Erfahrungen mit uns teilst. Wie erlebst du die jetzige Zeit als Pflegerin gerade während der Corona-Krise? 

Ich finde es schön, dass von aussen mehr hingeschaut wird und die Pflegekräfte etwas Anerkennung und Wertschätzung bekommen. Das Gleiche gilt auch für die Verkäufer/-innen und Reinigungskräfte aller Art! Es ist einfach schade, dass immer etwas passieren muss, damit die Leute aufmerksam werden. Vorher waren wir ja nur «Füdliputzer», und jetzt stehen die Leute auf dem Balkon und klatschen für uns. Das zeigt mir einen gewissen Respekt, vor allem da vor der Krise viele eher abwertend auf unseren Beruf blickten.

Wieso hast du dich für diesen Beruf entschieden? Was gefällt dir daran? 

Ich wollte etwas Sinnvolles machen, und wenn ich alte Leute pflege, habe ich das Gefühl, Gutes zu tun. Es füllt mich aus, Menschen helfen zu können und Dankbarkeit zu erleben. Ein herzliches «Dankeschön», nachdem ich mich um jemanden gekümmert habe, freut mich immer.
Ich bin froh, dass ich mich für diesen Beruf entschieden habe. Es geht um Hilfsbereitschaft und um den Umgang mit den älteren Menschen. Man lernt auch das Alter schätzen und respektieren, denn auch wir werden irgendwann alt. Ich bin aber überrascht, wie schlecht ältere Menschen als Mitarbeitende im Sozialwesen behandelt werden.

Inwiefern hast du solche Situationen miterlebt? 

Ich war einmal als Aushilfe in einem Altersheim tätig. Dort wollten sie mir dann einen festen Vertrag anbieten, um einer 55-jährigen Pflegerin zu kündigen. Sie war eine sehr gute Mitarbeiterin, aber nach einem Unfall musste sie eine 6-monatige Therapie machen und danach in die Reha. Dafür hatte man kein Verständnis und wollte sie durch mich ersetzen, da ich als jüngere Arbeitnehmerin günstiger war. Ich habe gemerkt, wie diese Arbeitskollegin mir gegenüber zickiger wurde, aber habe erst später verstanden, warum. Sie hatte Angst um ihren Job! Ich habe dann natürlich abgelehnt.

Der Job in der Gesundheit ist ein 24-Stunden-Job. Wie sieht der Arbeitsalltag aus? 

Man weiss von Anfang an, worauf man sich einlässt. Es gibt wenig Mitspracherecht, nur Flexibilität. Beim Bewerbungsgespräch wird man gefragt, ob man bereit sei, Nachtschichten zu machen. Wenn man da Nein antwortet, kann man gleich wieder gehen. Aber am Schlimmsten finde ich die Mittelschicht: Da arbeitet man von 7 bis 11.30 Uhr, geht dann nach Hause und kommt am Nachmittag zurück und arbeitet nochmals von 16 bis 21 Uhr. Dann bin ich vielleicht um 21.30 Uhr zu Hause und muss am nächsten Morgen um 7 Uhr wieder auf der Matte stehen mit genügend Schlaf.

Kannst du zum Beispiel mal ein Wochenende freimachen oder Wünsche eingeben? 

Es kommt darauf an, wer die Teamleitung hat. Erfahrungsgemäss kommt es aber sehr schlecht an, wenn man mehrmals Wünsche eingibt. Dann hört man irgendwann: «Du hast aber viele Wünsche!» Es ist nicht von Vorteil, auf diese Art und Weise aufzufallen. Und einerseits kann ich es auch verstehen, denn das Leben ist kein Ponyhof und unser Job sowieso nicht! Doch es gibt wirklich immer wieder Teamleiterinnen und Teamleiter, die überhaupt nicht planen können. Da muss der Staat unbedingt mehr kontrollieren, ob das Arbeitsrecht eingehalten wird!

Vielen Dank Sarah, dass du mit uns gesprochen hast. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass sich die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen verbessern!

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