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Verantwortung übernehmen – häusliche Gewalt verhindern!

Die Pandemie bereitet vielen grosse Sorge. Manchmal führt dies gar zu einem Ohnmachtsgefühl, bei dem Gewalt zum Ventil wird. Wir haben mit Andreas Hartmann von KONFLIKT.GEWALT. gesprochen, um mehr darüber zu erfahren, warum der aktuelle Lockdown häusliche Gewalt fördern kann und warum nebst den Hilfsangeboten für Opfer auch dringend mehr in die Arbeit mit gewaltausübenden Personen investiert werden sollte. 

Wie kommt es zu häuslicher Gewalt und warum ist das Thema in der Pandemie noch relevanter als sonst? 

Andreas Hartmann: Häusliche Gewalt ist ein Ergebnis eines Ohnmachtsgefühl, der Auslöser ist häufig sekundär. Die Pandemie ist eine Stress-Situation in der die Chance steigt, solch ein Ohnmachtsgefühl zu erleben und in einen Gewaltkreislauf hineinzugeraten. Der Stress kann durch Existenzängste, die Angst verlassen zu werden, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit oder sogar die Maskenpflicht ausgelöst werden und so vorhandene Probleme und Unsicherheiten verstärken. 

Ist davon auszugehen, dass die häusliche Gewalt in der Pandemie massiv zunimmt? 

Das müssen wir noch beobachten und können noch keine detaillierten Zahlen geben. Aber wir beobachten in unseren Beratungen, dass der Druck, der auf den Einzelnen lastet, höher ist als sonst.
Die Bevölkerung in der Schweiz befindet sich in einer ausserordentlichen Lage, die von viel Unsicherheit geprägt ist. Viele von uns sind sich das nicht gewohnt oder wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Jede Form von Enge, wie wir sie im Lockdown jetzt erleben, kann die Überforderung und Unsicherheiten fördern. 

Oft wird über das Thema häusliche Gewalt ausschliesslich aus Perspektive der Opfer berichtet, oder es werden Hilfsangebote ausschliesslich für Opfer publiziert. Warum ist es wichtig, auch die Täter und Täterinnen ins Blickfeld zu rücken? 

Täterarbeit ist Opferschutz. Täter und Täterinnen müssen Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Diese Verantwortung beginnt bereits, bevor eine Situation gewaltsam eskaliert. Sie sind die ersten, die Gewalt verhindern können. Diese Verantwortung fordern wir aber viel zu wenig ein.
In der Öffentlichkeit kann viel stärker auch an die Täter und Täterinnen appelliert werden: «Wenn ihr Grenzen überschreitet, übernehmt Verantwortung für euer Handeln. Hört auf – ihr habt es in der Hand». In ihrer Ohnmacht denken die gewaltausübenden Personen oft, dass sie keine anderen Optionen haben. Aber das stimmt nicht, und genau auf dieser Ebene müssen sie angesprochen werden.

Was braucht es, um die Arbeit mit gewaltausübenden Personen ausbauen zu können? 
Es braucht vor allem die Realisation in der Gesellschaft, den Medien und den staatlichen Institutionen, dass diese Arbeit unerlässlich ist für die Bekämpfung von häuslicher Gewalt. Mit mehr finanzieller Unterstützung könnte die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt werden.

Aber auch der schnelle und unkomplizierte Zugang zu Beratung und Therapie muss ausgebaut werden. Nur in wenigen Kantonen gibt es bisher entsprechende Programme. Bei den meisten muss man bereits verurteilt sein – Prävention bleibt hier also komplett aussen vor. Darüber hinaus müssen Menschen, die Unterstützung in Anspruch nehmen wollen, selbst dafür zahlen, das ist ein grosses Hindernis. 

Was kann man tun, wenn man in einem Umfeld häusliche Gewalt wahrnimmt oder befürchtet? 

Hier gilt genau dasselbe für Opfer wie für Täterinnen und Täter: Aufmerksam sein, zuhören, hinschauen und nicht wegschauen. Wenn möglich Gewaltsituationen unterbrechen, indem man an der Tür klingelt oder die Polizei anruft. Wenn man sich nicht gut kennt, kann man die betroffene Person alleine ansprechen und ihr klar machen, dass man mitbekommt, was passiert. Man kann sowohl Opfern als auch Tätern/-innen anbieten, gemeinsam nach Hilfe zu suchen. Wenn man sich gar nicht kennt, dann ist es manchmal einfacher, einen Zettel mit den Beratungsstellen in die Hand zu drücken oder im Briefkasten zu hinterlassen. Vertrauten Personen gegenüber geht es vor allem darum, Mut zu machen, Hilfe anzunehmen.


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